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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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GattungsRats teil?«, fragte Thursday5 mit Augen wie Suppentellern.
    »Ja, wobei ›wir‹ in diesem Fall heißt, dass ihr hinten steht und kein Wort sagt.«
    »Wahnsinn! Was diskutieren sie?«
    »BuchWelt-Politik. Zum Beispiel, ob wir Charaktere an Videospiele liefern sollen, um ihnen mehr Tiefe zu geben. Das ist von besonderer Bedeutung, da sich das Verlagswesen heutzutage nicht notwendigerweise auf Bücher beschränkt. Es heißt, dass Harry Potter teilnimmt. Das tut er ja selten. Nun müssen wir –«
    »Wir lernen Harry Potter kennen?«, fragte sie leise flüsternd und ihre Augen wurden feucht. Thursday1–4 sah in den Himmel und stand mit gekreuzten Armen da, während sie darauf wartete, dass es weiterging.
    Ich seufzte. »Es hängt davon ab, ob du aufpasst oder nicht. Nun zu unserer heutigen Aufgabe: Wir lösen das Personal ab, das sich mit dem ständigen Klavierproblem der BuchWelt befasst. Und dafür müssen wir in die TextZentrale.«

23.
    Das Klavierproblem
    Das Pianoforte soll im frühen achtzehnten Jahrhundert von Bartolomeo Cristofori erfunden worden sein und wurde ursprünglich Gravicèmbalo col piano e forte genannt, was zum Glück vereinfacht wurde: zunächst zu Pianoforte und dann zu Piano. Bestehend aus einer viertel Tonne Eisen, Holz, Saiten und Filz kann das Instrument mit den 88 Tasten die subtilsten Melodien hervorbringen, aber in den gespannten Saiten schlummert auch die zerstörerische Kraft einer Familienlimou-sine bei einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern.
    Wenn Jurisfiktion der Sicherheitsdienst im Inneren der Bücher war und der GattungsRat die Politik machte, so bildete die TextZentrale eine Brücke zwischen den beiden: die Verwaltung. Bis zu dem Debakel um UltraWord™ war die TZ untadelig gewesen, aber im Anschluss daran war der GattungsRat meiner Empfehlung gefolgt, hatte streng durchgegriffen und dafür gesorgt, dass die TextZentrale zu inkompetent und fantasielos war, um eine Bedrohung darzustellen. Dies wurde im Wesentlichen durch das Leitungskomitee bewirkt, das man eingesetzt hatte.
    Als wir zu einem der Stockwerke mit den Storycode-Maschinen gingen, merkte ich, dass Thursday5 hörbar die Luft einzog. Die Proportionen des Raumes gemahnten an eine Fabrik, die SEHR GROSSE DINGE herstellt; die steinernen Wände, die gewölbte Decke und die flackernden Gaslampen dagegen verrieten die Herkunft des Raumes aus einem unveröffentlichten Schauerroman. In dicht gedrängten Reihen standen in der hallenden Weite Hunderte von Storycode-Maschinen. Hergestellt aus glänzendem Messing, Mahagoni und Gusseisen, hatte jede einzelne die Größe eines Reisebusses. Mit ihren Unmengen von verschlungenen Röhren, Ventilen und Messgeräten sahen sie wie eine verrückte Kreuzung aus Espressomaschine, Schiffsmotor und Euphonium aus. Sie waren so groß, dass ein Laufsteg um die obere Hälfte herumführte, auf den man über eine gusseiserne Wendeltreppe gelangte. Das erleichterte die Wartung.
    »Es handelt sich um Gedanken-, Vorstellungs- und Bildübertragungsmaschinen, und sie sind die wichtigste Technologie, über die wir verfügen. Erinnerst du dich an das Rohr, das aus der Kern-Kammer von Pinocchio führte?«
    Thursday5 nickte.
    »Der Datendurchlauf wird durch das Nichts des Inter-Genre-Raums gesendet und gelangt hierher, von wo aus er dann in die Vorstellung des Lesers übertragen wird.«
    Ich hatte keinen Schimmer, wie das funktionierte, und argwöhnte außerdem, dass es gar keine Erklärung gab, und vielleicht war auch keine nötig. Es gehörte zu den »abstrakten narrativen Imperativen«, wie wir sie nannten: Es funktionierte, weil es zweckmäßig war. Die BuchWelt ist nun mal so. Voller unwahrscheinlicher Handlungskniffe, die dazu beitragen, beim Erzählen einer Geschichte die Räder zu schmieren.
    Ich machte eine Pause, damit meine beiden Lehrlinge sich ein wenig umsehen konnten. Thursday5 machte kein Geheimnis aus ihrer Begeisterung, während Thursday1–4 ein unechtes Gähnen unterdrückte. Trotzdem beobachtete sie die Vorgänge. Es war schwierig, nicht davon beeindruckt zu sein – die Maschinen erstreckten sich in eine diesige Ferne, so weit das Auge reichte. Techniker flitzten wie Ameisen über die brummende Maschinerie, überprüften die Messgeräte, ölten Maschinenteile, ließen Dampf aus Ventilen ab und füllten Checklisten auf Klemmbrettern aus. Andere liefen mit Karren voller Papierkram für die Ablage zwischen den Maschinen hin und her. Die Luft war mit dem Geruch nach heißem

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