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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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dagegen, weil sie Roger ziemlich scharf fand.
    »Wie viele Klaviere gibt es eigentlich in der Literatur?«, fragte Thursday5.
    »Tausende«, erwiderte er, »allerdings in unterschiedlicher Funktion. Im überwiegenden Teil der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts, besonders bei den Brontës, bei Hardy und Dickens wimmelt es nur so von Klavieren – aber sie werden selten gespielt. Bei denen ist die Handhabung einfach. Unsere Klaviere eins bis sieben funktionieren nicht und werden lediglich für Beschreibungen benutzt. Sie drehen eine vorgegebene Runde durch die BuchWelt und erscheinen für einen Moment im Text, bevor sie weiterflitzen, um woanders aufzutauchen.« Er drehte sich zu der Anzeigetafel um. »Dort können wir ablesen, dass unser zuverlässiges altes Broadwood P–6 sich im Augenblick auf Seite 339 von Die vergessene Welt befindet, wo es seinen Platz neben der Stehlampe in der Villa der Potts in Streatham einnimmt. In wenigen Augenblicken wird es sich auto-matisch in das Souterrain auf Seite 91 von Wiedersehen in Howards End bewegen, wo es unter einem Gemälde von Maude Goodman steht. Gleich darauf springt es weiter in den Salon der Grangerfords auf Seite 161 von Huckleberry Finn .«
    »Aber Eliot, Austen und Thackerey«, fügte Charles flüsternd hinzu, »stehen nicht nur auf Klaviere, sie müssen auch funktionieren und sind häufig der Angelpunkt einer Szene. Und das sind diejenigen, bei denen wir bezüglich Angebot und Nachfrage höllisch aufpassen müssen. Amelia Sedleys Klavier in Jahrmarkt der Eitelkeit wird versteigert, aber Dobbin kauft es als Geschenk für sie. Und der Gesang mit Klavierbegleitung bei Austen trägt erheblich zur Atmosphäre ihrer Geschichten bei.«
    Thursday5 nickte begeistert und Thursday1–4 zeigte zum ersten Mal an diesem Tag schwaches Interesse und stellte eine Frage.
    »Kann man nicht einfach noch ein paar Klaviere bauen?«
    »Sparmaßnahmen regieren die BuchWelt«, antwortete Charles. »Wir sind echte Glückspilze, denn Klaviere gibt es reichlich , jedenfalls verglichen mit der Anzahl echter Elefanten der Kategorie staubig-grau-faltig.«
    »Wie viele gibt es davon?«
    »Einen. Wenn jemand eine Herde braucht, muss sich die Dick-häuterBereitstellungsAbteilung mit Pappfiguren und gewaltigem Trompetenblasen hinter den Seiten behelfen.«
    Die Thursdays dachten einen Augenblick darüber nach, während Charles und Roger ihre Jacken anzogen. Sie wollten ein paar Stunden Pause machen, während ich übernahm. Das war kein Problem, denn es war nicht das erste Mal.
    »Alles ist mehr oder weniger auf Automatik gestellt«, erklärte Charles, als sie zur Tür gingen. »Es gibt nur wenige manuelle Klavierbewegungen, die Sie vornehmen müssen – auf dem Kontrolltisch liegt eine Liste. Wir sind in zwei Stunden wieder da und kümmern uns um den unsinnigen Dreh mit dem Brief im Klavier in Herzen in Aufruhr. Irgendwie kriegen wir auch ein funktionsfähiges Klavier in Drei Mann in einem Boot und drehen das Ding mit der Zerstörung eines Beulhoff-Flügels in Auf der schiefen Ebene .«
    »Das erledigen Sie wirklich besser selbst«, sagte ich. »Genießen Sie Ihre Pause.«
    Das würden sie, versicherten sie und verschwanden mit dem Mann im Overall, dessen Name Ken war.
    »In Ordnung«, sagte ich, als ich mich setzte und die Füße auf den Kontrolltisch legte. »Mach uns einen Kaffee, Thursday.«
    Keine von beiden rührte sich vom Fleck.
    »Sie hat dir einen Auftrag erteilt«, sagte Thursday1–4. »Ich nehme meinen schwarz und stark.«
    »Hm!«, machte Thursday, ging aber trotzdem, um Wasser aufzustellen. Thursday1–4 zog ihren Mantel aus, hängte ihn an einen Haken und setzte sich auf einen Stuhl.
    »Also ... jetzt sitzen wir hier rum und sehen zu, wie die Klaviere durch die BuchWelt wandern?«, fragte sie in höhnischem Tonfall. Das war aber nichts Außergewöhnliches, denn so sprach sie ja meistens.
    »Genau das tun wir. Ein Großteil der Arbeit für Jurisfiktion ist so. Langweilig, aber wichtig. Ohne eine ununterbrochene Versorgung mit Klavieren würde viel Atmosphäre verloren gehen. Kannst du dir Die Frau in Weiß ohne Lauras Klavierspiel vorstellen?«
    Thursday1–4 sah mich verständnislos an.
    »Ach, du weißt wohl gar nicht, wovon ich spreche?«
    »Die Klassiker sind mir einfach zu langsam«, antwortete sie, zog lässig eine ihrer Automatiks aus dem Holster, nahm den Ladestreifen heraus und betrachtete versonnen die glänzende Munition. »Zu wenig Action. Ich bin mehr für David

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