Irische Küsse
ihr Tränen in die Augen stiegen. Ihre Schwester würde einen ganzen Tag mit MacEgan allein sein. Er würde ihr den Hof machen, all seinen Charme spielen lassen, um ihr Herz zu gewinnen. Er brauchte Katherines Landbesitz und ihre Mitgift, um zu einer eigenen Burg zu kommen. Und er würde all sein Geschick einsetzen, um sein Ziel zu erreichen.
Verdammt! Sie war nicht eifersüchtig, nein, damit hatten ihre Befürchtungen nichts zu tun. Sie machte sich lediglich Sorgen um Katherine.
Sollte sie dem Paar heimlich folgen und sich verstecken, falls Katherine ihre Hilfe brauchte? Wobei keiner der beiden wissen durfte, dass sie in der Nähe war.
Ihr Gewissen warnte sie davor, einen Fehler zu machen. Katherine war erwachsen und sollte eine harmonische Zweisamkeit mit ihrem Auserwählten genießen, ohne dass ihre ältere Schwester ihr nachspionierte und sie beaufsichtigte wie ein kleines Kind.
Aber dies war der wunde Punkt. Als ältere Schwester durfte Honora nicht zulassen, dass Katherine ein Leid geschah. Auch nicht von einem Mann, dem sie vertraute.
Sie wechselte ihr Gewand und zog einen braunen wollenen Bliaut ohne jeden Zierrat an, um sich unter den Bäumen nicht weit von der Ruine zu verstecken. Um vor den beiden dort zu sein, musste sie sich beeilen.
Hastig steckte sie den Schleier fest, den sie abnehmen wollte, sobald sie die Reste der alten Klosterkirche erreichte, um sich durch den weißen Fleck nicht zu verraten.
Beim Verlassen der Kammer tastete sie nach ihrem Dolch in den Falten ihres Rockes, und kurze Zeit später war sie unterwegs zu den Trümmern der Kirche.
Ewan band den Zelter an einen Baum und half Katherine aus dem Damensattel. Sie war schön wie eine Rose, das Violett ihres Gewandes unterstrich ihre zarte elfenbeinhelle Haut. Er hielt ihre schmale Taille einen Moment lang mit beiden Händen umfangen, in Erwartung des heißen Verlangens, das ihn jedes Mal durchströmte, wenn er Honora berührte.
Aber da war nichts.
Er schob seine aufkeimende Irritation beiseite. Er brauchte Zeit, um Katherine näher kennenzulernen, dann würde er ähnliche Gefühle für sie empfinden.
„Ich freue mich, heute mit Euch ausreiten zu dürfen“, sagte Katherine mit einem scheuen Lächeln. Ihre Wangen waren leicht gerötet, seine Nähe machte sie ein wenig befangen.
„Wir haben bisher viel zu wenig Zeit miteinander verbracht, nicht wahr?“ Ewan nahm sie bei der Hand und führte sie zur Ruine. Als sechzehnjähriger Knabe hatte er diesen verwunschenen Ort in der Nähe der Besitzungen des Earls of Longford häufig aufgesucht. Hier hatte er sich im Schwertkampf geübt und sich vorgestellt, die verfallene Abtei wäre seine Burg, die es zu verteidigen galt.
Hier hatte er sich auch mit Honora im Schwertfechten gemessen. Er hatte sich zwar oft über sie geärgert, weil sie ihn auf Schritt und Tritt verfolgte, aber sie hatte ihn auch gelehrt, ein besserer Fechter zu werden. Durch sie war er zum Mann herangereift. Ihre ständigen Spötteleien hatten ihn angespornt, seine Muskelkraft zu stählen. Monatelang hatte er Steine geschleppt, bis er kräftig genug war, um jeden erwachsenen Mann im Ringkampf zu besiegen.
Wieso dachte er eigentlich so oft an sie? Sie waren nicht einmal mehr Freunde. Doch unabhängig davon weckte sie in ihm das körperliche Verlangen, mit einer Frau zusammen zu sein. Es war ein großer Fehler gewesen, Honora zu küssen, ein Fehler, den er kein zweites Mal begehen würde.
Katherine ließ sich ins Gras nieder und breitete ihre Röcke aus, eine Einladung, sich neben sie zu setzen. Dennoch fühlte Ewan sich nicht wohl dabei, kam sich beinahe vor wie ein Raubtier, das von einem unschuldigen Lamm aufgefordert wurde, es zu verspeisen.
„Ein wunderschöner Tag“, begann sie.
„Ja, ein wunderschöner Tag.“
Herrgott, war er immer noch sechzehn? Er geriet doch sonst nicht in Verlegenheit, wenn er mit einer Dame plaudern sollte. Ganz im Gegenteil.
„Wollen wir etwas essen?“, schlug Katherine vor. „Honora hat daran gedacht, uns einen Korb mit Speisen mitzugeben.“
Sie war im Begriff aufzustehen, doch Ewan nahm ihre Hand. „Nein. Noch nicht.“
Er musste wissen, ob ein Funke zwischen ihnen übersprang. Wenn er Katherine küsste, würde er Honora aus seinen Gedanken vertreiben. In seinem Bestreben, seine Gefühle zu erforschen, ließ er jede höfliche Zurückhaltung außer Acht, umfing ihren zarten Nacken und neigte sich ihr zu.
Katherine bekam große Augen und öffnete vor Schreck den Mund. Ewan
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