Irische Küsse
selbst zu entladen. Es juckte sie förmlich in den Fingern nach einem Schwertkampf.
Als sie den schweren Deckel der Truhe hob, stellte sie zu ihrem Schrecken fest, dass ihre Kleider nicht ordentlich gefaltet waren, jedenfalls nicht so wie sie sie zurückgelassen hatte. Bliauts, Untergewänder und Schleier lagen vollkommen durcheinander. Jemand hatte ihre Sachen durchsucht. Aber aus welchem Grund? Hatte ein Fremder ihr Eigentum durchwühlt? Das war ein beklemmender Gedanke.
Katherine würde nicht an ihre Sachen gehen, sie besaß mehr Bliauts und Unterkleider, als sie je auftragen konnte. In der Truhe befanden sich auch keine Wertsachen, außer …
Ihre Kehle verengte sich, als sie mit fliegenden Fingern nach dem Riegel im doppelten Boden tastete. Alles war noch da. Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung schickte sie ein Dankgebet zur Heiligen Jungfrau Maria, als sie die schwere Kettenrüstung hervorholte, dazu Beinlinge aus Kettengeflecht, Tunika und ein wattiertes Wams.
Die schwere Rüstung war zwar äußerst lästig und schränkte ihre Bewegungsfreiheit erheblich ein, aber sie musste sie tragen, um unerkannt zu bleiben. Damit konnte sie auf dem Turnierplatz mit dem Schwert üben, ohne als Tochter des Lords of Ardennes erkannt zu werden. Sie hatte sie vor einigen Jahren einem gefallenen Soldaten entwendet, nach dem ein walisischer Lord mit einer Schar Soldaten versucht hatte, die Burg zu stürmen.
Sie legte die Rüstung beiseite und faltete die Kleider wieder ordentlich zusammen. Mehr denn je war sie davon überzeugt, dass sie beschattet wurde. Ihr Verdacht fiel auf John oder einen der Bewerber.
Anschließend streifte sie ihr Gewand ab und legte Wams, Tunika und die wollenen Beinlinge an, darüber das Kettenhemd und den gepanzerten Beinschutz. Die Brünne hing schwer an ihr und verursachte ihr Qualen in den Schultern. Ihr kurzes Haar verbarg sie unter der Kettenhaube, die ihr Nackenschmerzen bereitete. Zuletzt setzte sie den Eisenhelm mit dem Nasenschutz auf. Auf einen Brustpanzer verzichtete sie, mehr Gewicht konnte sie wahrlich nicht tragen.
Nur einen einzigen Schwertgang! Mit aufeinandergebissenen Zähnen gab sie sich selbst das Versprechen. Danach wollte sie die Rüstung wieder verstecken, und niemand würde etwas davon erfahren.
Es musste sein. Es drängte sie unwiderstehlich danach, den Schwertgriff in ihrer Faust zu halten, das singende Geräusch zu hören, wenn die Klinge durch die Luft sauste. Sie wollte spüren, wie ihr das Blut in den Adern rauschte. Sie wusste, dass sie das Gewicht der Rüstung höchstens eine Weile tragen konnte, aber die Zeit würde genügen, um die peinliche Szene an der Klosterruine zu vergessen.
Katherine würde sie wegen Ewan zur Rede stellen, und sie wusste noch immer nicht, wie sie sich verteidigen sollte. Eine schlichte Entschuldigung würde ihrer Schwester vermutlich nicht genügen.
Mit schweren Schritten schritt Honora in der Kammer hin und her. Bald gewöhnte sich ihr muskulöser Körper an das schwere Eisen. Das kühle Metall an Stirn und Wangen schien ihr Kraft zu geben, mit jeder Bewegung fühlte sie sich stärker und mächtiger.
Niemand fragte sie nach ihrem Begehr, als sie die Waffenkammer betrat. Niemand bemerkte sie, als sie mit gegürtetem Schwert wieder ins Freie trat. Sie trug keinen Handschutz, der ihr ohnehin zu groß gewesen wäre. Mit bloßen Händen hatte sie einen besseren Griff um den Knauf der Waffe.
Sie stapfte durch den Burghof zum Turnierplatz, wo einige Ritter bereits Übungen machten. Die Bewerber um Katherines Hand trugen Gefechte mit den Soldaten ihres Vaters aus. Das vertraute Klirren, mit dem die Klingen gegeneinander schlugen, klang wie Musik in ihren Ohren. Ihr Kampfgeist war geweckt, sie beschleunigte ihre Schritte.
„Habt Ihr Lust auf ein Gefecht?“, fragte eine schnarrende Männerstimme. Honora fuhr herum und sah sich John of Ceredys gegenüber. Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn, ihre Handflächen wurden feucht.
Angst kroch in ihren Körper, unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. Doch dann stieg eisige Kälte in ihr auf, gepaart mit einem unwiderstehlichen Rachedurst, Vergeltung für all die Frauen zu nehmen, die er geschändet hatte. Und ohne an die Folgen zu denken, hörte sie sich sagen: „Ich nehme die Herausforderung an.“
Nachdem er Katherine wohlbehalten in die Burg zurückgebracht hatte, fand Ewan seinen Bruder Bevan in der gemeinsamen Schlafkammer vor. „Wie war dein Besuch bei Lord
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