Irische Küsse
drei. Verständlicherweise hatte Katherine Sehnsucht danach, mit Ewan allein zu sein. Aber was wäre, wenn MacEgan versuchte, sie zu verführen? Wenn er Zärtlichkeiten mit ihr tauschte wie ein Liebhaber?
Wenn er Katherine berührte, wie er sie berührt hatte?
Honora ballte die Fäuste und wünschte, sie hätte es nie zugelassen. Sie wünschte, nicht zu wissen, wie Ewans Küsse schmeckten, wie sein sehniger Körper sich anfühlte.
Und sie wünschte auch, dass Katherine das nicht wissen würde. Ihre Schwester war zu unschuldig, um sich den Gefahren auszusetzen, ohne Begleitung mit einem Mann zusammen zu sein. Wenn Ewan es wagen sollte, Katherine unzüchtig zu berühren, würde Honora ihm die Hand abhacken und an die Hunde verfüttern.
„Wohin wollt ihr denn?“, fragte Honora ganz nebensächlich, als interessiere es sie nur beiläufig. Je mehr sie an die Zweisamkeit der beiden dachte, desto mehr steigerte sie sich in ihre Besorgnis um ihre Schwester hinein.
„Zur alten Abtei. Die Ruinen sind so romantisch, findest du nicht auch?“
„Ich finde, die Ruinen könnten einstürzen und euch bei lebendigem Leibe begraben, wenn ihr euch zu nahe heranwagt.“
Ihre Schwester rollte mit den Augen. „Ach, hätte ich dich bloß nicht gefragt.“
„Aber das könnte passieren. Geh nur, wenn du willst, aber lass dich nicht von ihm küssen.“
„Und warum nicht? Ich könnte mir vorstellen, dass er sich aufs Küssen versteht.“
Wie recht du hast, dachte Honora, hütete sich aber, diesen Gedanken auszusprechen.
„Du bist noch so jung, Katherine.“
„Ich bin neunzehn. Viele Mädchen heiraten bereits mit dreizehn.“
„Du solltest deinem Schöpfer danken, dass man dich davor bewahrte.“
Katherine setzte sich aufs Bett und schlang die Arme um ihre Knie. „Ich habe dich nie danach gefragt … wie es zwischen einem Mann und einer Frau eigentlich ist. Aber ich möchte es gern wissen, Honora. Du warst verheiratet. Wie ist es, wenn ein Mann einen berührt?“
Ach du lieber Himmel! Wie sollte sie diese Frage beantworten? Honora wusste nichts darüber, wie es sein sollte. Ranulf hatte sie grausam behandelt, und das hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Hätte sie ihren Kampfgeist vor ihm verborgen, wäre nichts geschehen. Eine gute Ehefrau hatte nicht das Recht, sich in ihrer Hochzeitsnacht gegen ihren Ehemann zur Wehr zu setzen, schlimmer noch, ihn zu verwunden und zu überwältigen.
Diesen Angriff hatte Ranulf ihr nicht verziehen. Wutentbrannt hatte er ihren Dolch ins Feuer geschleudert und ihr streng verboten, je wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen. Dann hatte er sie von zwei Soldaten festhalten lassen und sie für ihren Ungehorsam gezüchtigt.
Und später, als sie blutend und von blauen Flecken übersät auf dem Ehebett lag, war er über sie hergefallen und hatte ihr die Unschuld genommen. Honora hatte geweint und Gott angefleht, sie sterben zu lassen. Aber Ranulf hatte es großes Vergnügen bereitet, sie zu quälen und zu demütigen.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Sie starrte auf den Dielenboden. Niemals würde sie ihrer Schwester die Wahrheit gestehen. „Ich wünsche dir von Herzen, dass deine Ehe glücklicher wird als meine es war.“
Katherines Lächeln schwand. „Tut mir leid. Ich hätte nicht anfangen sollen, darüber zu sprechen.“
Honoras Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. „Dir ist gewiss mehr Glück beschieden, das hoffe ich wenigstens.“ Sie half Katherine, den Schleier zu befestigen, dann trat sie zwei Schritte zurück, um sie anzusehen. Der veilchenblaue Bliaut aus feinster Wolle war mit bestickten Silberborten verziert, die seitliche Schnürung betonte ihre schmale Taille. Enge lange Ärmel weiteten sich an den Ellbogen und reichten in Glockenform fast bis zum Boden. Um die Hüften war ein geflochtener Silbergürtel geschlungen.
Honora rieb sich die sehnigen Arme, die ganz und gar nicht schmal und zart waren wie die ihrer Schwester.
„Bei Sonnenuntergang bin ich wieder da“, versprach Katherine. „Wenn Vater nach mir fragt …“
„Behaupte ich, du fühlst dich nicht wohl und hältst dich in deinem Gemach auf.“ Honora breitete entschuldigend die Arme aus. „Ich lass dir in der Küche einen Korb mit Speisen vorbereiten, Ewan ist ständig hungrig. Und verspäte dich nicht, sonst hole ich dich.“
Katherine lächelte wieder. „Vielen Dank, Honora.“ Sie umarmte ihre Schwester stürmisch und eilte aus der Kammer.
Honora starrte so lange auf die Eichentür, bis
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