Irische Küsse
immer unter seinem peinigenden und ungestillten Verlangen. Mit seinen ungestümen Reaktionen hatte er sie verängstigt und verscheucht.
Seine Fleischeslust war stärker als sein Verstand gewesen, und damit hatte er alles verloren: das Land und vermutlich auch seine Freundschaft mit Honora. So wie er sich über sie hergemacht hatte, war es kein Wunder, dass sie vor ihm geflohen war.
Und nun sah er sich gezwungen, Ardennes den Rücken zu kehren. Für ihn gab es keinen Grund mehr, an diesem Ort zu bleiben, zumal er auch noch ihre Schwester im falschen Glauben gelassen hatte, sie zu heiraten. Aber er konnte Katherine nicht zur Frau nehmen. Und der Gedanke, nach einer anderen wohlhabenden Braut Ausschau zu halten, war ihm gründlich zuwider.
Er musste auf andere Weise zu Wohlstand kommen, ohne die Mitgift einer Frau. Er würde sich als Söldner verdingen, um sein Ziel zu erreichen. Bevan und Connor waren diesen Weg auch gegangen. Allerdings würde es viele Jahre dauern, bis er ein Vermögen beisammen hätte.
Eine dumpfe Leere breitete sich in ihm aus, ein Gefühl der Sinnlosigkeit und des Verlorenseins. Er wollte Honora nicht verlassen, aber ihm blieb keine andere Wahl. In Éireann gab es nichts, was er ihr bieten könnte. Für sie war es besser, unter dem Schutz ihres Vaters zu bleiben.
Ewan war im Begriff, sich zu erheben, dabei merkte er, dass er zu Tode erschöpft war. Bald würde der Tag grauen, aber er würde in dieser Nacht ohnehin keinen Schlaf finden. Plötzlich waren Stiefelschritte zu hören, ein Schatten fiel über ihn.
Als er den Kopf hob, blickte er in das strenge Gesicht von Nicholas of Ardennes; er war in Begleitung zweier Soldaten in Kettenhemd und Helm.
„Nehmt ihn fest!“, befahl der Baron.
Honora sah Ewan den ganzen Vormittag nicht, und ihre Unruhe wuchs von einem Augenblick zum nächsten. Die ganze Burg tuschelte über John of Ceredys. Der heilkundige Mönch hatte berichtet, dass der Ire ihm das Nasenbein gebrochen und ihn schlimm zugerichtet hatte. Jeder wusste, was Ewan getan hatte.
„Lady Honora“, drängte sich eine Männerstimme in ihre düsteren Gedanken. „Darf ich … ein…ein Wort mit Euch sprechen?“
Sir Ademar lächelte scheu, machte den Eindruck, als könne er kaum glauben, dass sie sich bereit erklärt hatte, ihn zum Ehemann zu nehmen. Gütiger Herr im Himmel, sie hatte ihr voreiliges Angebot völlig vergessen.
„Selbstverständlich“, antwortete sie liebenswürdig.
Ademar stand in leicht gebeugter Haltung vor ihr. Seine blauen Augen lächelten gütig, und Honora spürte seine Unsicherheit beim Reden. „Ihr h…habt mich ü…überrascht mit Eurer W…Wahl gestern Abend.“ Er bot ihr seinen Arm, sie hakte sich bei ihm unter, und er wurde noch verlegener.
„Ich hätte vorher mit Euch sprechen sollen“, gestand sie.
Sie fühlte sich schuldig. Der aufrechte Ritter verdiente es nicht, so benutzt zu werden. Sie durfte und wollte dieses falsche Spiel nicht weitertreiben, es musste eine andere Lösung geben.
Honora führte ihn in einen stillen Winkel des inneren Burghofs. „Sir Ademar, bitte verzeiht mir. Ich war nicht aufrichtig zu Euch.“
Sein markantes Gesicht versteinerte, als ahne er, was sie sagen würde. Honora atmete tief ein, als würde ihr das Geständnis dadurch leichter fallen.
Seine Lippen wurden schmal. „Ihr habt n…nicht die Absicht, m…mich zu heiraten, stimmt’s?“
Sie drückte ihm die Hand. „Ihr seid ein aufrechter Mann. Und wenn ich die Absicht hätte, mich wieder zu verheiraten, würde meine Wahl auf Euch treffen. Ihr werdet gewiss ein guter Ehemann sein.“ Mit leiser Stimme fuhr sie fort: „Es war der Wunsch meines Vaters, dass ich heirate, nicht meiner. Er drohte damit, seine Einwilligung zu Katherines Vermählung erst zu geben, nachdem ich mich einverstanden erklärt habe, erneut eine Ehe einzugehen.“
Auf den Wangen des Ritters bildeten sich zwei rote Flecken, er entzog ihr unwirsch seine Hand. „Ihr … wolltet mich … also nur als Vorwand benutzen.“
Honora nickte schuldbewusst und kam sich vor wie die niederträchtigste Frau auf der Welt. „Ich dachte nur an das Glück meiner Schwester, nicht daran, Euch in Verlegenheit zu bringen.“
Seine Augen funkelten aufgebracht. „Hattet Ihr die Absicht, mir das Jawort vor … vor dem P…Priester zu verweigern?“
„So weit wollte ich es nicht kommen lassen.“
„Und wenn Euer Vater verlangt hätte, dass w…wir das Gelöbnis v…vor Eurer Schwester sprechen? Hättet Ihr
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