Irische Küsse
war stark, sie hatte ihren Körper gestählt, seit sie ein kleines Mädchen war.
Setze deine Kraft ein! Kämpfe um dein Leben!
Und mit einem Mal zog sie Arme und Beine kraftvoll durch die Wellen, überlegte kurz, ob sie das hinderliche Kleid loswerden sollte. Aber später würde sie es brauchen, um sich zu wärmen. Der schwere Wollstoff klebte schwer an ihr, dennoch kämpfte sie verbissen dagegen an.
Mit einem flüchtigen Blick über die Schulter vergewisserte sie sich, dass sie so weit ins offene Meer hinausgeschwommen war, dass die Reiter in ihren Rüstungen ihr nicht folgen konnten. Allerdings war sie immer noch in Reichweite ihrer Pfeile, aber die Schützen machten keine Anstalten, die Bogen zu spannen und auf sie zu zielen.
Wie sie richtig vermutet hatte, wollte John sie lebend. Als Leiche war sie für ihn nutzlos.
Aber sie konnte kein Anzeichen von Ewan entdecken. Wo war er? Todesangst spornte sie an, schneller zu schwimmen, obwohl Arme und Beine im eisigen Wasser zu schmerzen begannen.
Ihr war kalt. Sie war zu Tode erschöpft. Nie zuvor war sie eine so weite Strecke geschwommen, und die Kräfte drohten sie zu verlassen. Ihr Atem ging rasselnd, sie verschluckte sich wieder und spie prustend das Salzwasser aus. Aber sie gab nicht auf, sie musste es schaffen.
Sie wagte einen weiteren Blick über die Schulter. Einige Soldaten hatten sich ihrer Rüstungen entledigt und schwammen ihr nach.
Gott steh mir bei! Sie verdoppelte ihre Anstrengungen, ihre Arme drohten aus den Schultergelenken zu springen, aber unverdrossen kämpfte sie sich weiter durch die Wellen. Das Boot war nun ganz nah.
Es schien jedoch noch eine Ewigkeit zu dauern, bis ihr endlich ein langes Ruder entgegengehalten wurde, an dem sie sich mit letzter Kraft festklammerte. Dann hievte sie ein Mann an Bord, wo sie erschöpft zusammenbrach. Ihr Retter war blond, eine seiner Hände verkrüppelt. In seinem Gesicht entdeckte sie Ähnlichkeiten mit Ewan.
„Ein ziemlich kalter Tag, um Schwimmen zu gehen, finde ich“, sagte er feixend.
Honora schlotterte an allen Gliedern. Zähneklappernd stieß sie hervor: „Wo ist Ewan? Habt Ihr ihn gesehen?“
„Er sprang kurz nach Euch ins Wasser.“ Der Mann zog mit aller Kraft an einer Leine, um die Segel zu straffen. Das Boot machte eine Wende, trieb aufs Meer hinaus und nahm Fahrt auf.
„Wir müssen auf ihn warten“, schrie sie gellend und spähte angstvoll über den Bootsrand. Sie konnte nicht fassen, wie ungerührt der Mann redete. Ihr Herz krampfte sich zusammen, nirgends konnte sie eine Spur von Ewan entdecken. Der Gedanke, dass er ertrinken könnte, war ihr unerträglich. Am liebsten wäre sie wieder ins Meer gesprungen.
„Ewan kann lange Strecken unter Wasser bleiben. Um ihn braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen.“ Der Mann legte in aller Ruhe eine Armbrust an und nahm den Kopf von einem der Soldaten ins Visier, die ihr gefolgt waren. „Ich bin Connor MacEgan. Und Ihr müsst die Erbin von Ardennes sein.“
Honora war zu verängstigt und aufgeregt, um zu antworten. Und außerdem scheute sie davor zurück, sich als die Frau vorzustellen, die Ewans Chancen vernichtet hatte, ihre Schwester zu heiraten.
„Ich bin die Tochter von Nicholas de Montford, Lord of Ardennes. Witwe des Baron of Ceredys“, erklärte sie umständlich. „Mein Name ist Honora St. Leger.“
Über Connors Gesicht flog ein dünnes Lächeln. „Ich entsinne mich, dass er nach seiner Rückkehr von seinem Pflegevater von Euch gesprochen hat.“
Tatsächlich? Ihre Neugier war geweckt, sie hätte gern gewusst, was Ewan über sie erzählt hatte. Aber Connor beendete das Gespräch und schoss den Pfeil ab. Der Kopf des Soldaten war noch eine Weile zu sehen, dann versank er im Meer.
Connor wollte einen zweiten Pfeil einlegen, ließ aber die Armbrust sinken und wies mit dem Kinn auf die Gischt in der Nähe des Bootes. „Seht nur! Da ist ja unser ersehnter Ewan.“ Sie folgte seinem Blick. In einiger Entfernung tauchte MacEgans Schopf immer wieder zwischen den Wellen auf.
Honora hielt den Atem an, während Connor seine Pfeile abschoss und einen Verfolger nach dem anderen erledigte. Als nur noch vier Soldaten am Ufer standen, trat John den Rückzug an. Sie schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel.
Nach einer Weile fragte sie: „Hat Bevan Euch geschickt?“
Connor nickte. „Ewan hat ein besonderes Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen.“ Und mit einem Blick zum Küstenstreifen setzte er hinzu: „Wie Ihr ja selbst
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