Irische Liebesträume
gönnerhaft sein.”
Aber wenn sie gehofft hatte, ihn aus der Ruhe zu bringen, so sah sie sich getäuscht. Er lachte nur. “Weißt du, wenn du ehrlich gewesen wärst, hätte ich dich noch mehr mögen können. Denn ein kleines, naives Mädchen hat etwas ganz Reizvolles.”
“Wirklich?”
“Ja.” Er half ihr höflich beim Einsteigen, ging um den Wagen herum, und nachdem er sich hinter das Steuer gesetzt hatte, fragte er unerwartet: “Hast du schon eins unserer Pubs besucht?”
“Nein.”
“Dann solltest du das tun. Wer durch Irland reist, ohne ein Pub zu besuchen, der versäumt es, ein Stück irisches Leben kennenzulernen. Ein Pub ist weit mehr als nur ein Ort, an dem man sich zum Trinken trifft. Es ist das Herz eines jeden irischen Dorfes und dient der Geselligkeit und der Unterhaltung. Wenn man etwas essen will, einen Rat braucht, Gesellschaft sucht oder den neuesten Klatsch erfahren will, dann ist das Pub der richtige Ort dafür. Das Gespräch spielt eine wichtige Rolle – bist du beleidigt?”
“Nein.” Das war sie nicht. Enttäuscht vielleicht. Von ihm und von sich selbst. Aber nicht beleidigt.
“Musst du erst nach Hause, um dich umzuziehen?”
“Ich würde mich gern ein bisschen zurechtmachen, wenn ich darf.”
“Natürlich darfst du”, ahmte er sie nach und machte sich über ihre höfliche Antwort lustig. “Aber ich habe dich gewarnt, Ellie”, sagte er.
“Das hast du.” Sie seufzte tief und versuchte, ihre düstere Stimmung abzuschütteln. “Erzähl mir etwas über diese dreistöckigen Häuser, die an den Ecken jeder Straßenkreuzung stehen. Warum sehen sie praktisch alle gleich aus?”
“Weil, wie man sagt, vier Schwestern sie haben bauen lassen.”
“Und ist das so?”
“Nein.” Er lachte. “Aber es gibt eine hübsche Geschichte ab.” Er hielt vor “The Hall”. “Fünf Minuten, Ellie. Ich treffe dich hier wieder.”
Sie nickte, eilte hinein und hinauf in ihr Zimmer. Jetzt wollte sie nicht daran denken, dass sie Feargal nach diesem Tag wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Sie wollte sich nicht enttäuscht fühlen. Fünf Minuten später lief sie leichtfüßig die Stufen hinunter und ging zur Haustür hinaus.
Feargal wartete bereits, und Ellie blieb einen Moment stehen, um ihn zu beobachten. Er lehnte am Wagen und blickte ziemlich nachdenklich auf die Rhododendronbüsche. Irgendwie wirkte er abwesend und müde. Gab es Ärger mit der Farm? Mit den Pferden? Bevor sie diese Gedanken weiterverfolgen konnte, hob er den Kopf und sah sie lächelnd an.
“Du hast vergessen, dir das Haar zu bürsten”, stellte er fest.
“Nein, ich …, oh”, rief sie aus und lachte. “Jetzt hätte ich dir fast geglaubt. Dabei habe ich es gebürstet.”
“Wirklich? Woher soll man das wissen?” Er nahm ihre Hand, legte sie auf seinen Arm, und gemeinsam gingen sie zum Dorf hinunter. Das wird das letzte Mal sein, dass ich ihn berühre, dachte sie. Das letzte Mal in seiner Gesellschaft. Typisch, dass man gerade den Menschen mögen muss, der einem unerreichbar ist.
Vor dem Pub blieben sie stehen, und Ellie las, was mit Kreide auf einer Tafel geschrieben stand. Oder versuchte, es zu lesen. Sie fand es sehr schwierig, die ihr unvertrauten Wörter auszusprechen. “Was heißt das?”, fragte sie Feargal.
“
Ceol tradistiunata
? Traditionelle Musik.”
“Oh!”, rief sie erfreut aus. “Mit Fiedeln und so weiter?”
“Ja, Ellie, mit Fiedeln und so weiter.”
Feargal war offensichtlich gut bekannt, denn die Leute nickten ihm zu, lächelten, sahen neugierig auf Ellie, während er sich mit ihr an den kleinen Tisch im hinteren Teil des Raumes setzte.
“Können wir uns nicht nach vorn setzen? Spielt man nicht dort?”
“Nein, das können wir nicht. Und ja, die Musiker spielen vorn.” Er lächelte. “Die freien Plätze sind für Leute reserviert, die mitmusizieren oder -singen möchten. Möchtest du das tun?”
“Du meine Güte, nein. Wenn ich singe, ist das Lokal in wenigen Sekunden leer.”
“Was möchtest du trinken?”
“Wodka mit Lemon?”
“Gut. Und essen?”
“Oh, egal, Hauptsache, etwas Vegetarisches. Einen Salat vielleicht?” Eigentlich hatte sie gar keinen Hunger mehr.
“Fein.”
Während er an die Theke ging, um die Bestellung aufzugeben, lehnte Ellie sich in ihrem Stuhl zurück und beobachtete Feargal mit einem traurigen Ausdruck in den Augen. Falls sie im Dorf blieb, war es durchaus denkbar, dass sie Feargal hin und wieder traf, und wenn sie Glück hatte,
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