Irische Liebesträume
sich noch mehr zu amüsieren? Aus Langeweile? Egal, warum auch immer, sie begleitete ihn und war glücklich dabei. Eigentlich war sie ja auch gefühlsmäßig nicht engagiert. Wie hätte sie das auch nach einer so kurzen Zeit sein sollen? Er war ein angenehmer Gesellschafter. Warum also sollte sie seine Gegenwart nicht genießen? Sie verdrängte den Gedanken an ihr Vorhaben, die Freundin ihres Großvaters zu suchen, und nahm unbewusst die Einstellung der Iren an, wonach man immer Zeit im Überfluss hatte. Bereitwillig ließ sie zu, dass Feargal sie mit Beschlag belegte. Sie fragte sich, wann er sich wohl um seine Farm kümmerte. Als sie ihn darauf ansprach, lächelte er nur.
Er führte sie zum nahe gelegenen Schloss, machte lange Fahrten mit ihr. Und am letzten Tag seines Kurzurlaubs, wie er es nannte, fuhr er sie, sichtlich entspannt und zufrieden, einmal vom Alltag abschalten zu können, nach Bettystown. Er parkte den kleinen Wagen gegenüber vom Marktplatz, der jetzt verlassen dalag, und Hand in Hand gingen sie hinunter zum Strand. Er erstreckte sich meilenweit in jede Richtung, und kein Mensch war zu sehen. Goldbrauner Sand und das blaue Meer unter blauem Himmel. Ellie seufzte zufrieden auf und sagte: “Es ist herrlich!”
“Ja. Man kann sich jetzt kaum vorstellen, dass an den Wochenenden bei schönem Wetter hier einer neben dem andern liegt. Möchtest du ein bisschen spazieren gehen?”
“Okay.”
Schweigend gingen sie nebeneinander her, jeder in seine Gedanken vertieft. Die einzige Person, der sie begegneten, war ein Golfspieler in einem roten Pullover auf dem Golfplatz neben dem Strand. Er winkte ihnen zu, und Ellie lächelte. “Das würde zu Hause nie passieren. Hier sind die Leute so freundlich. Jeder grüßt jeden.”
“Ja, vor allem Ellie Browne, bei deren Anblick die düsterste Miene verschwindet.” Er blieb stehen, ließ ihre Hand los und umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht. In seinen schönen Augen lag ein Ausdruck von Wärme, von Belustigung und vielleicht von einer Spur Zynismus. “Hast du dich entschlossen, mir jetzt die Wahrheit zu sagen?”
Etwas verärgert, wandte sie sich leicht ab. “Die habe ich dir schon gesagt.”
“Na, ich weiß nicht”, meinte er nachdenklich. “Ganz bestimmt hast du bis jetzt noch keinen Versuch gemacht, deine Stellung zu festigen.”
“Welche Stellung?”
“Diese Stellung.” Ohne Vorwarnung zog er sie in die Arme. “Diese so reizvolle und intime Stellung.” Er sah sie an. “Oder wartest du noch auf den rechten Augenblick?”
“Genau das, nehme ich an”, erwiderte sie, etwas atemlos, wie sie zugeben musste. Obwohl das ganz natürlich war, oder? Er hatte einen wunderschönen Körper, der vollkommen zu ihrem zu passen schien.
Er neigte den Kopf und küsste sie. Mit einer Erfahrenheit, wie sie es noch nie erlebt hatte, mit einem Geschick, wie man es aus keinem Buch lernte. Und zu ihrer großen Überraschung spürte sie plötzlich eine Eifersucht auf all jene Frauen, die, wie sie jetzt einmal in seinen Armen gehalten und so atemberaubend geküsst worden waren. Er löste sich von ihr und sah sie amüsiert an.
Ellie fühlte sich ganz benommen. Sie lächelte, um ihre innere Unruhe und ihr Bedauern zu überspielen. “Ist der Urlaub nun um?”, fragte sie.
“Ich denke, ja. Der Urlaub und die Zweisamkeit. Es war wunderbar. Und du bist entweder eine sehr gute Schauspielerin oder wirklich unschuldig. Was ist es, Ellie?”
Unschuldig hatte den bitteren Beigeschmack von unreif und nicht begehrenswert. Aber lieber wollte sie das sein als eine Schauspielerin. “Das Letztere”, gestand sie lächelnd.
“Keine Schauspielerin?”
“Nein.”
“Also bist du aus einem reinen Impuls heraus hier heraufgefahren?”
“Nein, Feargal.” Sie seufzte. “Es war Zufall. Ich habe den Schock meines Lebens bekommen, als du die Haustür aufmachtest. Hast du das nicht gemerkt?” Sie wartete, und als er nicht antwortete, fuhr sie fort: “Junge, Junge, du musst wirklich schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht haben, wenn du so misstrauisch bist.”
“Schlechte?”, fragte er. “Nein, nicht gerade schlechte. Aber langweilige. Vorhersehbare.” Er nahm Ellie bei der Hand und zog sie mit sich Richtung Wagen. “Hast du Hunger?”
“Ein bisschen. Warum? Willst du mich zum Essen einladen?”
“Warum nicht? Als Belohnung dafür, dass du ein so braves Mädchen bist.”
“Genau das liebe ich so an dir, Feargal”, sagte sie voller Bewunderung. “Du kannst so
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