IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
Zeichen des einsetzenden Verfalls durchsetzt war. Ein breiter Fellstreifen, ein unnatürlich in die Höhe ragendes Bein, dessen Haut am Knochen verfaulte. Irgendein Hund, vermutlich ein Schäferhund. Definitiv kein kleiner Junge.
Doch als er sich mit dem Strahl der Taschenlampe weiter in die Tiefen des Sacks vorwagte, bekam er eine Gänsehaut vor Entsetzen. Zwar befand sich nur ein Körper darin, aber zwei halb verrottete Köpfe starrten ihn an; zwei Mäuler; zwei gewaltige Gebisse mit schiefen Zahnreihen; zwei schwarze Zungen. Vier gelbe, mit Schleim verschmierte Augen.
Abrupt schaltete er die Taschenlampe aus und stand auf. »Ein Hund«, sagte er zu Karen. »Jemand hat seinen Hund ertränkt.«
»Wie kann man nur so grausam sein?«, erwiderte sie zitternd.
Jack konnte ihr in diesem Moment nicht antworten. Sein Mund war voller Gallenflüssigkeit und Speichel. »Es handelt sich um eine Art Missbildung. Wahrscheinlich war es besser so.«
Karen berührte ihn am Arm. »Zumindest ist es nicht Randy.«
»Lass uns zum Auto zurückgehen!«, schlug Jack vor.
Karen sah auf den Postsack. »Und was hast du damit vor?«
»Ich weiß es nicht. Erst mal hierlassen. Was soll ich sonst damit machen?«
Doch genau in diesem Augenblick blendete sie ein greller Lichtstrahl und eine Stimme sagte trocken: »Sie könnten ihn wegwerfen, Mister, und sich um Ihre eigenen Angelegenheiten scheren.«
Die Taschenlampe ruckelte näher. Jack hob schützend die Hand vor die Augen, doch er konnte nur die dunkle Silhouette eines Mannes in einer schwarzen, wasserdichten Feuerwehrjacke mit einem riesigen, schlottrigen Regenhut erkennen. An einer kurzen Leine befand sich etwas, das aussah wie ein Dobermann, der schnaufte und winselte und darauf drängte, dass sein Besitzer ihn endlich laufen ließ.
»Das war mein Hund!«, bemerkte die trockene Stimme und richtete die Lampe kurz auf die gegenüberliegende Seite des Swimmingpools. »Vielleicht haben Sie schon von Hunden mit zwei Schwänzen gehört, denen es gut ging. Aber ein Hund mit zwei Köpfen, das ist nicht mehr witzig. Er lebte sieben Monate und ich habe noch nie eine Kreatur Gottes so leiden sehen.«
Der Mann hielt inne und fuhr dann fort: »Darf ich Sie fragen, was Sie um 03:00 Uhr nachts auf fremdem Gelände verloren haben?«
»Wer sind Sie?«, erkundigte sich Jack.
»Tut mir leid, Freundchen. Ich hab zuerst gefragt.«
»Ich heiße Jack Reed. Ich kaufe The Oaks.«
Der Mann schwieg erneut, diesmal deutlich länger. Dann: »Sie kaufen The Oaks?«
»Ganz recht. Das können Sie sich von Mr. Bufo von Capitol Realtors bestätigen lassen.«
»Davon hat mir Mr. Bufo nie etwas gesagt.«
»Tja, vermutlich, weil das Geschäft noch nicht offiziell abgeschlossen wurde. Doch die Eigentümer haben mein Angebot akzeptiert.«
»Hm-hm!«, sagte der Mann. »Das haben sie bestimmt.«
»Was wollen Sie denn damit sagen?«
»Genau das, was ich gesagt habe. Das haben sie bestimmt, das war zu erwarten. Wahrscheinlich konnten sie ihr Glück kaum fassen.«
Gereizt entgegnete Jack: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu verraten, wer Sie sind?«
»Kein Problem«, antwortete der Mann. Er richtete unvermittelt den Strahl der Taschenlampe auf sein eigenes Gesicht. Er war ziemlich alt, Jack schätzte ihn auf Mitte 70, trug deutsche oder auch slawische Züge im Gesicht. Seine Augen waren blassblau und seine Haut besaß die Farbe von Leberwurst. An beiden Seiten der Nase zogen sich zwei Reihen blutroter Narben nach unten.
»Ich heiße Joseph Lovelittle«, stellte er sich vor. »Meine Eltern haben den Namen Kleinlieb während des Ersten Weltkriegs abgelegt. Nicht klein genug, zu wenig Liebe. So ziemlich die Einzigen in Milwaukee, die das getan haben. Denn die meisten von ihnen sind stolz auf ihre deutsche Abstammung. Auch heute noch.«
Er senkte die Taschenlampe. »Ich sah Ihren Wagen da hinten auf der Straße stehen. Wissen Sie, ich schlafe so gut wie gar nicht, damit habe ich echte Probleme. Das war schon immer so. Und deshalb bekam ich den Job als Wachmann. Um etwa 02:00 Uhr morgens drehe ich mit Boy hier üblicherweise meine Runde. Er geht gerne nachts spazieren, genau wie ich. Nachts sieht man einfach mehr.«
»Haben Sie einen kleinen Jungen bei meinem Auto gesehen?«, erkundigte sich Jack. »Neun Jahre alt, helles Haar, blauer Anorak?«
Joseph Lovelittle schien darüber nachzudenken. »Nein, kann ich nicht behaupten«, antwortete er schließlich. »Ich habe auch durchs Fenster reingespäht.
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