Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde
in die gleichen aussichtslosen Sackgassen rennen und wenn sich dafür lebensgeschichtliche Bezüge herstellen lassen, dann kann die Psychoanalyse in der Hand eines modernen Analytikers eine gute Hilfe bieten. So bleibt also auch die Psychoanalyse eine in einigen Fällen nützliche und in anderen Fällen weniger nützliche psychotherapeutische Methode. Da sie langwierig und kostspielig ist, kann sie ohnehin nicht allen psychisch Kranken zugutekommen. Und für bestimmte gravierende psychische Störungen wie Schizophrenie und schwere Depressionen ist sie in ihrer klassischen Form nicht geeignet oder sogar schädlich.
b) Die Verhaltenstherapie - Quadratisch, praktisch, gut
Die große Gegenspielerin der Psychoanalyse war und ist die Verhaltenstherapie. Sie hat nicht das Mysteriös-Ahnungsvolle der Psychoanalyse. Sie ist nüchtern und auf Effizienz getrimmt. Verhaltenstherapeuten reden nicht bloß - oder lassen reden -, sondern sie tun was. Wenn Sie einem etwas ängstlich dreinschauenden Menschen mit einem zuversichtlich wirkenden Begleiter am Fernsehturm begegnen, dann wird das wahrscheinlich ein Patient mit Höhenangst sein und ein Verhaltenstherapeut, der ihn bei einer »Exposition« begleitet. Der Patient macht in Gegenwart seines Therapeuten das, was er schon seit Jahren unter keinen Umständen mehr tut. Im Grunde hat ein solcher Patient ja mit der Angst machenden Situation schon lange keine Erfahrung mehr. Leute mit Höhenangst gehen eben nicht auf Fernsehtürme, Leute mit Aufzugangst fahren nicht mit dem Lift, Leute mit Platzangst gehen nicht über große Plätze. Doch die Angst im Kopf ist mit den Jahren immer mehr gewachsen und hat sich oft auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Die Methode, sich der Angst auslösenden Situation in sicherer Begleitung auszusetzen, rechnet mit der Eigenschaft der Psyche, sich irgendwann an alles zu gewöhnen. So nimmt der anfänglich hoch angestiegene Angstpegel nach einigen Minuten ab und der Patient erlebt zum ersten Mal seit langem diese völlig unvorstellbare Situation mehr oder weniger angstfrei. Auf solche Weise kann die Höhenangst verschwinden - und so geht man auch viele andere Ängste an.
Die klassische Verhaltenstherapie interessiert sich nicht für die Dynamik, die hinter einer Symptomatik liegen mag. Sie interessiert sich schlicht für die Symptome selbst, das äußerlich beschreibbare Verhalten, und vor allem dafür, wie man die Symptome wegbekommt. Die Verhaltenstherapie hält solch krankhaftes Verhalten für lebensgeschichtlich erlernt, mit der Folge, dass man es auch wieder verlernen kann. Dafür hat sie wissenschaftlich genau evaluierte Methoden entwickelt, um eine möglichst schnelle und nachhaltige Beseitigung der Symptome
zu erreichen. Keine Frage: Genau das will auch der Patient. Die übliche Kritik der Psychoanalyse an derartigen Methoden war, dass sie nur an der Oberfläche bleiben und daher nicht »tief« genug gehen. Doch Untersuchungen haben ergeben, dass verhaltenstherapeutische Methoden durchaus nachhaltig wirken.
Die Verhaltenstherapie hat im Laufe der Zeit eine oft auch polemisch zugespitzte Konzentration auf die äußeren Symptome und ihre Behandlung ergänzt um kognitive, also Einsicht fördernde Aspekte, wie sie auch bei psychoanalytischen Methoden vorkommen. Die »kognitive Wende« der Verhaltenstherapie hat diese Therapieform zu der wohl weltweit wissenschaftlich am besten belegten Psychotherapiemethode gemacht. Inzwischen gibt es ausgetüftelte Handbücher, nach denen Therapeuten einigermaßen standardisiert bestimmte Störungen verhaltenstherapeutisch behandeln können. Doch es gibt Patienten, bei denen man mit dieser Methode einfach nicht weiterkommt.
c) Systemische Revolutionen - Wie man Probleme liquidiert
Die Psychoanalyse versucht, mit der psychoanalytischen Kur einzelne Menschen zu behandeln, die Verhaltenstherapie behandelt vor allem einzelne Symptome. Doch der Mensch ist immer auch ein soziales Wesen. Und so hat die systemische Therapie, die sich in Amerika und parallel in Italien entwickelte, den Menschen mit seinen sozialen Bezügen in den Mittelpunkt gestellt. Die Mailänder Psychoanalytikerin Mara Selvini Pallazoli behandelte magersüchtige Mädchen in klassischer psychoanalytischer Einzeltherapie. Die Magersucht ist eine unheimliche Erkrankung, denn sie ist nur schwer zu behandeln, und dabei ist sie eine der tödlichsten psychischen Erkrankungen überhaupt. Zwanzig Prozent der jungen Frauen sterben. So war es für
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