Irrflug
auf, „geh’n Sie denn gelegentlich auch hin, ohne zu fliegen?”
Mosbrucker verzog das Gesicht zu einem krampfhaften Lächeln. „Auch, ja, gestern Abend war ich dort, an den Bürgerseen drunten.”
„Allein?”, fragte Linkohr.
Mosbrucker biss sich kurz auf die Unterlippe. „Ich denk’ doch, dass Sie das längst wissen”, er lächelte, „wir haben gegrillt.”
„Wer ist ›wir‹?”, fragte Häberle und steckte seine rechte Hand in die Hosentasche.
„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen muss”, erwiderte Mosbrucker.
Häberle ging nicht darauf ein, sondern preschte vor: „Dann sag’ ich’s Ihnen: Der Jens Hilgenrainer war dabei und die schöne Wirtin von der ›Down-Town‹ Kneipe, stimmt’s?”
Mosbrucker schluckte.
„Und wer noch?”, wollte Linkohr wissen.
„Wie – wer noch?” Mosbrucker schien irritiert zu sein.
„Nur ihr drei?”, zeigte sich Häberle hartnäckig.
Mosbrucker zögerte kurz. „Nur wir drei, ja.”
„Ganz sicher?”, hakte Linkohr zweifelnd nach.
Mosbrucker nickte langsam. „Ganz sicher.”
„Ist der Aufwand nicht ein bisschen groß – nur zu dritt an einer großen Feuerstelle?”, staunte Häberle.
„Wie kommen Sie denn da drauf?!”, entfuhr es Mosbrucker, „im Prinzip ist man an einem lauen Sommerabend dort nicht allein. Da sind jede Menge Leute.” Und er fügte hinzu: „Trotz des Länderspiels auf den Färöern.”
„Wie lange waren Sie denn dort?”, fragte Linkohr nach.
„Vielleicht halb eins, länger nicht. Elvira … Frau Schneider hat auf Eile gedrängt. Sie wollte noch in ihr Lokal.”
„Und dann ist jeder für sich gefahren?”, zeigte sich Häberle interessiert.
Mosbrucker nickte. „Jeder wohnt woanders, ja. Aber darf ich fragen, was das alles zur Sache tut?”
Häberle lächelte fast väterlich: „Ist unser Job, der uns so neugierig macht, sonst gar nix.” Er reichte Mosbrucker zum Abschied erneut die Hand. Sein Gegenüber schien sichtlich froh zu sein, dass die Kriminalisten nun tatsächlich verschwinden wollten. Häberle spürte die kalte, schweißnasse Hand des Mannes. Das war vor ein paar Minuten noch anders gewesen. Linkohr schüttelte ihm ebenfalls die Hand und folgte Häberle ins Freie hinaus. Noch immer tobte der Regensturm. Nur die Blitze waren seltener geworden. Als sie wieder im Auto saßen, meinte Häberle: „Kollege, wir verschieben den Feierabend, funken Sie die Jungs in Kirchheim an. Die sollen uns die Adresse dieser Heidrun raussuchen – ich will wissen, ob wir richtig sind. Wir fahren nach Wiesensteig rauf.” Es war jetzt kurz vor viertel zwölf.
Häberle nahm die Autobahn. An der Anschlussstelle Aichelberg, gerade mal zwei, drei Kilometer von Bad Boll entfernt, bog er in die A 8 in Richtung Ulm ein. Die rechte der drei bergaufwärts führenden Spuren war mit einer unübersehbaren Kolonne kriechender Lastzüge belegt – wie immer. Die meisten hatten, wie es für langsam fahrende Fahrzeuge ein Hinweisschild vorschrieb, ihre gelben Warnblinklichter angeschaltet. Dies war eine Vorsichtsmaßnahme, zu der die Behörde gegriffen hatte, weil es nach dem Ausbau dieses Streckenabschnitts einige böse Auffahrunfälle gegeben hatte. Nachfolgende Pkw-Lenker hatten langsam kriechende Lkw übersehen oder deren Tempo überschätzt.
Für die Kollegen in der Sonderkommission war es kein Problem gewesen, Adresse und Telefonnummer von Heidrun Pulvermüller herauszusuchen. Als der Kripo-Daimler die so genannte Grünbrücke erreichte, mit der am Aichelberg die Waldgebiete beidseits der Autobahn für den Wildwechsel miteinander verbunden bleiben sollten, versuchte Linkohr, in Wiesensteig anzurufen. Dass sich niemand meldete, war in diesem Fall ein gutes Zeichen. Dies konnte darauf hindeuten, dass sie tatsächlich auf der richtigen Spur waren. Dennoch ließ es Linkohr klingeln, bis die Automatik abschaltete.
„Und, fahren wir trotzdem hin?”, fragte er zweifelnd und drückte auf den ›Aus‹-Knopf des Handys, als sie kurz vor dem Maustobel-Viadukt auf der mittleren Spur an der endlosen Lkw-Kolonne vorbeizogen. Der Regen hatte nachgelassen, doch die Sicht war schlecht. Schweigen. Häberle schien zu überlegen.
Rechts erkannte Linkohr die neue Tank- und Rastanlage Gruibingen, deren Parkflächen ebenso aufwändig gestaltet worden waren, wie das Rasthaus selbst, das im Feng-Shui-Stil entstanden ist. Als einziges in Europa, behauptete der Inhaber.
Kommissar Häberle überlegte laut: „Wenn die Pulvermüller unsere Tote
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