Irrsinn
ziehen sich in einen verwahrlosten Bau zurück, mit minimaler Möbli e rung und den Objekten ihres verqueren Sinns für Schönheit. Sie hoffen lediglich, sich in Frieden ihren mutierten Fantasien hingeben und ihr monströses Dasein fristen zu können. Dieser Frieden aber ist äußerst beschränkt, denn auch wenn die übrige Welt sie in Ruhe lässt, sorgen sie selbst für ihre Qualen.
Billy wehrte sich gegen den Schluss, dass es sich bei Steve Zillis um ein Exemplar dieser erbärmlichen Gattung handelte.
Um sich einzugestehen, dass Zillis kein mordlüsterner Irrer war, musste Billy akzeptieren, dass er viel wertvolle Zeit mit der Verfolgung eines vermeintlich reißenden Wolfs verbracht hatte, der in Wirklichkeit ein zahmer Hund war.
Schlimmer noch: wenn Zillis nicht der Irre war, dann hatte Billy keine Ahnung, wie er weitermachen sollte. Bisher hatten alle Indizien in eine einzige Richtung gewiesen. Aber es waren eben doch nur Indizien.
Am allerschlimmsten aber: Wenn der Mörder nicht vor ihm saß, dann hatte er sich ohne Ergebnis zu dieser Brutalität herabgelassen.
Aus diesen Gründen fuhr er noch eine Weile fort, seinen Gefangenen zu befragen und unter Druck zu setzen, doch mit jeder Minute kam ihm der zähe Kampf weniger wie ein Kampf als wie ein Akt der Unterdrückung vor. Schließlich konnte auch der Matador keinen Ruhm erringen, wenn der Stier, von Banderillas starrend und von den Picadores geschwächt, jeden Kampfgeist verlor und nicht einmal lustlos auf das rote Tuch zulief.
Irgendwann setzte sich Billy wieder auf den Stuhl und verbarg seine wachsende Verzweiflung, während er zum letzten Punkt kam. Vielleicht schnappte ja genau da die Falle zu, wo er es am wenigsten erwartet hatte.
»Wo warst du heute Abend, Steve?«
»Das weißt du doch selber. Ich war in der Kneipe, um dich zu vertreten.«
»Nur bis um neun. Jackie sagt, du hast nur von drei bis neun gearbeitet, weil du vorher und nachher was zu tun hattest.«
»Das stimmt. Ich hatte was zu tun.«
»Wo warst du zwischen neun Uhr und Mitternacht?«
»Wieso ist das so wichtig?«
»Es ist wichtig«, versicherte Billy. »Also, wo warst du?«
»Du wirst mir wehtun … du wirst mich in jedem Fall umbri n gen.«
»Ich werde dich nicht umbringen, und Judith Kesselman hab ich auch nicht umgebracht. Hingegen bin ich ziemlich sicher, dass du das getan hast.«
» Ich? « Der verblüffte Tonfall klang mindestens so echt wie alle anderen Reaktionen, die Zillis von Anfang an gezeigt hatte.
»Du bist wirklich geschickt«, sagte Billy.
»Worin bin ich geschickt? Darin, Leute umzubringen? Du bist wohl völlig durchgeknallt! Ich hab nie jemand umgebracht.«
»Steve, wenn du mich davon überzeugen kannst, dass du heute von neun Uhr abends bis Mitternacht ein hieb- und stichfestes Alibi hast, dann ist die Sache erledigt. Ich verschwinde, und du bist frei.«
Zillis sah ihn zweifelnd an. »So einfach?«
»Ja.«
»Nach dieser ganzen Sache … ist es so einfach vorbei?«
»Möglicherweise. Das hängt vom Alibi ab.«
Zillis grübelte über die Antwort nach.
Billy begann zu argwöhnen, dass er sich eine Geschichte ausdachte.
Dann legte Zillis los: »Was ist, wenn ich dir sage, wo ich war, und du bist gerade deshalb hier, weil du schon weißt, wo ich war und es mir bloß aus der Nase ziehen willst, um mich nach Strich und Faden zu verprügeln?«
»Ich hab keine Ahnung, was du meinst«, erwiderte Billy.
»Na schön. Okay. Ich war mit einer Frau zusammen. Du hast zwar nie von ihr gesprochen, aber wenn du scharf auf sie bist, was wirst du mir dann jetzt antun?«
Billy betrachtete ihn ungläubig. »Du warst mit einer Frau zusammen?«
»Nicht so, wie du meinst, wir waren nicht im Bett. Es war bloß eine Verabredung. Ein spätes Abendessen, das noch später wurde, weil ich für dich einspringen musste. Es war unser zweites Date.«
»Wer?«
Zillis wappnete sich sichtlich gegen Billys eifersüchtigen Zorn: »Amanda Pollard.«
»Mandy Pollard? Die kenne ich. Sie ist ein nettes Mädchen.«
Misstrauisch fragte Zillis: »Ist das alles – dass sie ein nettes Mädchen ist?«
Die Pollards besaßen ein gut gehendes Weingut. Sie bauten Trauben für eine der besten Kellereien des Tales an. Mandy war etwa zwanzig Jahre alt, hübsch und freundlich. Sie arbeitete im Betrieb der Eltern mit. Allem Anschein nach zu urteilen, war sie treuherzig genug, um aus einer besseren Epoche als der derzeit i gen stammen zu können.
Billy ließ den Blick durch das schäbige
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