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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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blieb Billy zwei Schritte von seinem Wagen entfernt stehen. Er zögerte, weiterz u gehen und die zweite Botschaft zu lesen.
    Sein größter Wunsch war es momentan, einfach eine Weile bei Barbara zu sitzen und dann heimzufahren. Er besuchte sie zwar nicht täglich, aber doch an den meisten Wochentagen.
    Am Pflegeheim haltzumachen war einer der Steine, aus denen das Fundament seines einfachen Lebens erbaut war. Er freute sich darauf ebenso wie auf das Ende seiner Arbeitszeit und aufs Schnitzen.
    Bei alledem war er kein dummer Mensch, sondern sogar ziemlich intelligent. Er wusste, dass aus seinem zurückgezog e nen Leben leicht Einsamkeit werden konnte.
    Nur eine dünne Linie trennt den müden Einsiedler von dem ängstlichen Eigenbrötler. Noch feiner ist die Linie zwischen dem Eigenbrötler und dem bitteren Menschenfeind.
    Den Zettel unter dem Scheibenwischer hervorzuziehen, ihn in der Faust zu zerknüllen und ungelesen wegzuwerfen, hätte mit Sicherheit bedeutet, die erste dieser Linien zu überschreiten. Vielleicht gab es von da aus keinen Weg zurück.
    Er hatte nicht viel von dem, was er sich vom Leben wünschte. Dennoch war er von Natur aus klug genug, um zu erkennen, dass er zusammen mit dem Zettel alles weggeworfen hätte, was ihn im Augenblick bei der Stange hielt. Wenn er das tat, würde sein Leben nicht einfach nur anders, sondern schlimmer sein.
    Im Nebel seiner Unentschlossenheit hatte er nicht gehört, wie der Streifenwagen auf den Parkplatz gefahren war. Während er den Zettel von der Windschutzscheibe nahm, zuckte er zusa m men, als plötzlich Lanny Olsen neben ihm auftauchte, in Uniform.
    »Noch einer«, sagte Lanny, als hätte er den zweiten Zettel erwartet.
    Seine Stimme klang eigenartig, in seinem Gesicht stand das Grauen. Seine Augen waren Fenster zu einem unheilvollen Ort.
    Es war Billys Schicksal, in einer Zeit zu leben, in der die Existenz von Gräueln geleugnet und jeder Gräuel stattdessen mit dem schwächeren Etikett Horror versehen wurde. Im Anschluss daran wurde jeder Horror zum Verbrechen umdefiniert, jedes Verbrechen zum Vergehen und jedes Vergehen zum bloßen Ärgernis. Dennoch stieg Abscheu in ihm auf, noch bevor er genau wusste, was Lanny Olsen hergeführt hatte.
    »Billy. Mein Gott, Billy.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich schwitze. Sieh nur, wie ich schwitze.«
    »Sag schon! Was ist passiert?«
    »Ich kann einfach nicht aufhören zu schwitzen. Dabei ist es gar nicht besonders warm.«
    Mit einem Mal fühlte Billy sich schmierig. Er wischte sich übers Gesicht und betrachtete dann die Handfläche, als müsste sie schmutzig sein. Allem Anschein nach sah sie jedoch sauber aus.
    »Ich brauche ein Bier«, sagte Lanny. »Oder zwei. Ich muss mich setzen. Muss nachdenken.«
    »Schau mich an!«
    Lanny folgte der Aufforderung nicht. Sein Blick war auf den Zettel in Billys Hand geheftet.
    Der Zettel war immer noch gefaltet, doch in Billys Eingewe i den entfaltete sich etwas und blühte auf wie eine schlüpfrige Blume, ölig und vielblättrig. Intuitiv entstandene Übelkeit.
    Das richtige Fragewort lautete nicht was, sondern wer, und Billy sprach es aus.
    Lanny fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Giselle Winslow.«
    »Kenne ich nicht.«
    »Ich auch nicht.«
    »Wo?«
    »Unten in Napa. Hat da Englisch unterrichtet.«
    »Blond?«
    »Richtig.«
    »Und hübsch«, riet Billy.
    »War sie tatsächlich mal. Jemand hat sie fast totgeprügelt. Wer immer das war, er wusste, wie man so etwas hinzieht, damit es möglichst lange dauert.«
    » Fast totgeprügelt.«
    »Er hat die Sache zu Ende gebracht, indem er sie mit ihrer Strumpfhose erwürgt hat.«
    Billy bekam zittrige Knie. Er lehnte sich an seinen Wagen. Dabei brachte er kein einziges Wort heraus.
    »Ihre Schwester hat sie erst vor zwei Stunden gefunden.«
    Lannys Blick heftete sich immer noch auf das gefaltete Stück Papier in Billys Hand.
    »Meine Behörde ist da unten nicht zuständig«, fuhr Lanny fort. »Also fällt es der Polizei von Napa in den Schoß. Das ist immerhin etwas. Dadurch hab ich ein wenig Freiraum.«
    Billy fand seine Stimme wieder, doch sie klang rau und übe r haupt nicht so, wie sie sich sonst anhörte. »Auf dem Zet tel stand, er würde eine Lehrerin umbringen, wenn ich nicht zur Polizei gehe, aber ich bin doch zu dir gekommen.«
    »Da stand, er bringt sie um, wenn du nicht zur Polizei gehst, um sie einzuschalten. «
    »Aber ich bin doch zu dir gekommen, ich hab’s versucht! Herrgott noch mal, ich hab’s versucht, oder etwa

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