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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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langweiligen Nachmittag kam Ivy Elgin um vier Uhr zur Arbeit, gefolgt von einer Schar durstiger Männer, die buchstäblich mit dem Schwanz wedelten.
    »Irgendwelche toten Viecher?«, erkundigte sich Billy und merkte, wie er dabei eine Grimasse schnitt.
    »Eine Gottesanbeterin auf meiner hinteren Veranda, direkt an meiner Türschwelle«, sagte Ivy.
    »Was hat das deiner Meinung nach zu bedeuten?«
    »Was betet, ist gestorben.«
    »Das kapier ich nicht.«
    »Ich muss auch noch darüber nachdenken.«
    Um fünf kam Shirley Trueblood, mütterlich in eine blassgelbe Uniform mit weißen Aufschlägen gekleidet.
    Anschließend tauchte Ramon Padillo auf, der schnüffelnd den Chiliduft einsog und brummte: »Braucht ’ne Prise Kreuzkü m mel.«
    Als Letzter kam um sechs Steve Zillis, nach Aftershave mit Verveine und Mundspülung mit Winterminze duftend. »Sei mir gegrüßt, Blutsbruder!«, sagte er.
    »Hast du mich heute Nacht angerufen?«, fragte Billy.
    »Wer, ich? Wieso sollte ich?«
    »Keine Ahnung. Ich hab einen Anruf bekommen, schlechte Verbindung, aber ich dachte, vielleicht warst das du.«
    »Hast du mich zurückgerufen?«
    »Nein. Ich konnte die Stimme kaum hören. Hatte nur so ein Gefühl, dass es du sein könntest.«
    Steve nahm drei fette Oliven aus der Schale mit den Zutaten für die Drinks. »Nee. Ich war heute Nacht sowieso noch mit jemandem unterwegs.«
    »Du bist um zwei Uhr morgens mit der Arbeit fertig, und dann gehst du noch aus?«
    Steve grinste und zwinkerte. »Es war Mondschein, und ich bin ein wenig mondsüchtig.«
    »Wenn ich bis um zwei arbeiten müsste, würde ich sofort ins Bett plumpsen.«
    »Nichts für ungut, Alter, aber du giltst nicht gerade als beso n ders hip. «
    »Was soll das denn heißen?«
    Steve zuckte die Achseln, dann fing er an, die schlüpfrigen Oliven zu jonglieren, wobei er eine erstaunliche Geschicklic h keit zur Schau stellte. »Die Leute wundern sich, dass ein so gut aussehender Typ wie du wie eine alte Jungfer lebt.«
    Billy warf einen Blick auf die Gäste. »Welche Leute?«
    »’ne Menge Leute.« Steve fing die erste Olive mit dem Mund auf, dann die zweite und die dritte. Während das Publikum auf den Barhockern applaudierte, ließ er kauend den Kiefer kreisen.
    Während der letzten Stunde seiner Schicht achtete Billy w e sentlich aufmerksamer auf Steve Zillis als gewöhnlich. Dennoch fiel ihm nichts Verdächtiges ins Auge.
    Entweder wollte ihn jemand anders auf die Schippe nehmen, oder Billy war wesentlich schlauer und verschlagener, als er aussah.
    Eigentlich war es sowieso egal. Es war ja niemand ermordet worden. Der Zettel war ein Jux gewesen, und früher oder später würde die Pointe schon zum Vorschein kommen.
    Als Billy sich um sieben davonmachen wollte, kam Ivy Elgin auf ihn zu. In ihren brandyfarbenen Augen loderte verhaltene Erregung. »Jemand wird in einer Kirche sterben.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Die Gottesanbeterin. Was betet, ist gestorben.«
    »In welcher Kirche?«, fragte Billy.
    »Kann ich nicht sagen.«
    »Vielleicht geht es gar nicht um eine Kirche, sondern darum, dass irgendein Pfarrer hier in der Gegend sterben wird.«
    Ihre berauschenden Augen blickten ihn an. »Daran hab ich gar nicht gedacht. Ja, vielleicht hast du recht. Aber was hat die Beutelratte damit zu tun?«
    »Da hab ich keine Ahnung, Ivy. Im Gegensatz zu dir hab ich keinerlei Talent als Orakel.«
    »Ich weiß, aber du bist nett. Du zeigst immer Interesse und machst dich nie über mich lustig.«
    Obwohl er fünf Tage pro Woche mit Ivy zusammenarbeitete, ließ ihn die Wirkung ihrer außergewöhnlichen Schönheit und Erotik gelegentlich vergessen, dass sie in mancher Hinsicht mehr Mädchen als Frau war. Sie war lieb, treuherzig und anständig, wenn auch nicht übermäßig keusch und rein.
    »Ich werde über die Sache mit der Beutelratte nachdenken«, sagte Billy. »Vielleicht bin ich doch ein wenig seherisch begabt und weiß es nur noch nicht.«
    Ihr Lächeln konnte einen völlig aus dem Gleichgewicht bri n gen. »Danke, Billy. Manchmal ist diese Gabe … sie ist eine Last. Da könnte ich schon ein wenig Hilfe gebrauchen.«
    Draußen war die sommerliche Abendluft zitronengelb vom Schein der schräg stehenden Sonne. Die nach Osten kriechenden Schatten der Ulmen waren dunkelviolett, fast schwarz.
    Als Billy auf seinen Wagen zuging, sah er wieder einen Zettel unter dem Scheibenwischer klemmen.
     

6
    Obwohl niemand vom Tod einer blonden Lehrerin oder einer alten Dame berichtet hatte,

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