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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nicht sehr vermissen wird. Wenn du zur Polizei gehst, werde ich eine junge Mutter umbringen, die zwei Kinder hat. Dir bleiben fünf Stunden, um dich zu entscheiden. Du hast die Wahl.
    Schon beim ersten Lesen verstand Billy jedes schreckliche Detail der Nachricht, und dennoch las er sie noch einmal. Erst dann gab er sie aus der Hand.
    Beklommenheit, der Rost des Lebens, nagte an Lanny Olsens Gesicht, während er die Zeilen überflog. »Was für ein krankes Arschloch«, sagte er.
    »Ich muss nach Napa.«
    »Weshalb?«
    »Um beide Zettel dort zur Polizei zu bringen.«
    »Moment, Moment, Moment«, sagte Lanny. »Du weißt doch gar nicht, ob das zweite Opfer überhaupt in Napa wohnt. Es könnte auch in St. Helena oder Rutherford wohnen …«
    »Oder in Angwin«, unterbrach ihn Billy, »und in Calistoga.«
    Um sein Argument zu unterstreichen, fügte Lanny hinzu:
    »Oder in Yountville, in Circle Oaks oder Oakville. Du weißt nicht, wo, du weißt überhaupt nichts.«
    »Manches weiß ich schon«, sagte Billy. »Zum Beispiel weiß ich, was richtig ist.«
    Auf den Zettel starrend, blinzelte Lanny, um den Schweiß auf seinen Augenlidern loszuwerden. »Echte Mörder spielen solche Spielchen nicht.«
    »Der schon.«
    Lanny faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in die Brusttasche seiner Uniformbluse. »Lass mich mal einen Auge n blick nachdenken«, flehte er.
    Unverzüglich fischte Billy den Zettel wieder aus Lannys Tasche. »Denk nach, soviel du willst. Ich fahre runter nach Napa.«
    »Ach, Mann, das ist ’ne ganz schlechte Idee. Es ist falsch. Sei doch nicht dumm!«
    »Wenn ich nicht mitspiele, ist das Spiel zu Ende.«
    »Also willst du eine junge Mutter von zwei Kindern umbri n gen. Einfach so, ja?«
    »Ich will mal so tun, als hättest du das nicht gesagt.«
    »Dann sage ich es noch einmal. Du wirst eine junge Mutter von zwei Kindern umbringen.«
    Billy schüttelte den Kopf. »Ich bringe gar niemanden um.«
    » D u hast die Wahl « , zitierte Lanny. »Entscheidest du dich dafür, zwei Kinder zu Waisen zu machen?«
    Was Billy nun im Gesicht und in den Augen seines Freundes sah, war anders als alles, was er am Pokertisch oder anderswo gesehen hatte, wenn sie zusammen gewesen waren. Er hatte den Eindruck, einem Fremden gegenüberzustehen.
    »Du hast die Wahl«, wiederholte Lanny.
    Billy wollte es nicht zum Streit kommen lassen. Er lebte auf der geselligeren Seite der Trennlinie zwischen Einsiedler und Eigenbrötler, und die wollte er ungern überschreiten.
    Offenbar spürte Lanny die Bedenken seines Freundes, denn er versuchte es nun auf sanftere Art und Weise: »Ich bitte dich nur, mir eine Chance zu geben. Ich stecke wirklich in der Scheiße.«
    »Verdammt noch mal, Lanny.«
    »Ich weiß. Es ist beschissen, und zwar egal, was man tut.«
    »Versuch bloß nicht, mich wieder zu manipulieren! Setz mich nicht unter Druck!«
    »Das tue ich schon nicht. Tut mir leid. Es ist bloß so, dass der Sheriff ein scharfer Hund ist. Das weißt du selbst. Angesichts meiner Zehnerkarte braucht er nur noch die Sache hier, um mich rauszuschmeißen, und es dauert noch sechs Jahre, bis ich voll pensionsberechtigt bin.«
    Solange er Lanny in die Augen blickte und die Verzweiflung darin sah, ja etwas Schlimmeres als Verzweiflung, das er lieber nicht benennen wollte, so lange konnte er ihm nicht entgege n kommen. Er musste erst den Blick abwenden und so tun, als spräche er mit dem Lanny, den er früher gekannt hatte.
    »Worum bittest du mich eigentlich?«
    Da Lanny die Frage wohl als Kapitulation interpretierte, wurde sein Tonfall noch versöhnlicher. »Du wirst es nicht bereuen, Billy. Es ist bestimmt das Richtige.«
    »Ich hab nicht gesagt, dass ich alles tue, was du willst. Ich muss erst wissen, worum es sich handelt.«
    »Das verstehe ich. Ganz ehrlich. Du bist ein echter Freund. Ich bitte dich um nicht mehr als eine Stunde, um eine Stunde zum Nachdenken. «
    Billys Blick wanderte vom Eingang der Kneipe zu dem riss i gen Asphalt vor seinen Füßen. »Es ist nicht viel Zeit. In der ersten Botschaft stand was von sechs Stunden. Jetzt sind es fünf.«
    »Ich bitte dich nur um eine. Um eine Stunde.«
    »Offenbar weiß er, dass ich um sieben mit der Arbeit fertig bin, deshalb hat die Uhr wahrscheinlich gerade eben angefangen zu ticken. Sie tickt bis Mitternacht. Dann bringt er noch vor der Morgendämmerung jemand um, und indem ich handle oder nicht handle, habe ich eine Wahl getroffen. Er wird ohnehin tun, was er im Sinn hat, aber ich will nicht

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