Irrsinn
er sich auch nicht um die Fingerabdrücke, die er auf der Plane hinterließ.
Das Jackett hatte zwei Innentaschen. In der ersten hatte Cottle die Whiskeyflasche verwahrt, die er auf der Veranda hinterla s sen hatte. Aus der zweiten zog Billy eine flache Flasche Rum und steckte sie gleich wieder zurück.
In den beiden Außentaschen befanden sich Zigaretten, ein billiges Gasfeuerzeug und eine Rolle Karamellbonbons. In den vorderen Hosentaschen entdeckte Billy Münzen im Wert von siebenundsechzig Cent, einen Satz Spielkarten und eine Trille r pfeife in Form eines Kanarienvogels.
Cottles Portemonnaie enthielt sechs Eindollarscheine, ferner einen Fünfer und vierzehn Zehner. Letztere mussten von dem Mörder stammen.
Zehn Dollar für jedes Jahr Ihrer Unschuld, Mr. Wiles.
Da Billy ein sparsamer Mensch war, fand er es schade, das Geld zusammen mit der Leiche zu begraben. Er überlegte, ob er es in den Opferstock der Kirche werfen sollte, auf deren Parkplatz er am Vorabend seinen Wagen abgestellt hatte und überfallen worden war.
Der Ekel siegte über die Sparsamkeit. Billy ließ das Geld in der Börse. So, wie man früher den toten Pharao mit Salz, Getreide, Wein, Gold und eigens abgeschlachteten Sklaven ins Jenseits geschickt hatte, so würde Ralph Cottle mit einem anständigen Batzen Taschengeld über den Styx reisen.
Von den wenigen weiteren Gegenständen im Portemonnaie waren zwei von Interesse. Zum einen war dies ein ausgebleic h ter, verknitterter Schnappschuss von Cottle in jungen Jahren, auf dem er attraktiv und männlich aussah. So groß der Unterschied auch war, man sah, dass es sich um dieselbe Person handelte. Neben ihm stand eine wunderhübsche junge Frau. Die beiden lächelten. Sie sahen glücklich aus.
Der zweite Gegenstand war eine 1983 ausgestellte Mitglied s karte der Amerikanischen Gesellschaft der Skeptiker. RALPH THRUMAN COTTLE, MITGLIED SEIT 1978.
Billy behielt das Foto und die Karte, alles andere steckte er in Cottles Gesäßtasche zurück.
Anschließend rollte er die Leiche gut in die Plane ein. Er faltete die Enden zusammen und sicherte das Bündel mit meterweise Klebeband.
Eigentlich hatte er erwartet, dass die mehrfach mit undurc h sichtigem Polyurethan umwickelte Leiche mehr oder weniger wie ein zusammengerollter Teppich aussehen würde. Leider sah sie wie eine Leiche in einer Plastikplane aus.
Das Seil verknotete er am einen Ende des Pakets zu einem festen Handgriff, an dem man die Leiche über den Boden ziehen konnte.
Er hatte vor, Cottle erst nach Einbruch der Dunkelheit wegz u schaffen. Die Ladefläche seines Wagens hatte rundum Fenster. Ein SUV war ein nützliches Fahrzeug, aber wenn es darum ging, bei hellem Tageslicht Leichen durch die Gegend zu fahren, war ein Wagen mit einem großen, abgedeckten Kofferraum wesen t lich besser geeignet.
Weil er allmählich den Eindruck hatte, dass sein Haus so frei zugänglich war wie ein Busbahnhof, schleppte er die Leiche aus dem Arbeitszimmer ins Wohnzimmer, wo er sie hinter dem Sofa platzierte. Dort war sie weder von der Haustür noch vom Durchgang zur Küche aus sichtbar.
An der Küchenspüle schrubbte er sich kräftig die Hände, wobei er sie mehrfach mit Flüssigseife einrieb und mit kochend heißem Wasser abspülte.
Dann machte er sich ein Schinkensandwich und schlang es hinunter. Dabei wunderte er sich, wieso er nach den gruseligen Dingen, die er gerade vollbracht hatte, einen derartigen Hei ß hunger haben konnte.
Er hatte nicht gedacht, dass sein Überlebenswille in den Jahren seines Einsiedlertums so stark geblieben war. Und er fragte sich, welche anderen Eigenschaften, gut und schlecht, er in den kommenden sechsunddreißig Stunden noch an sich entdecken oder wiederentdecken würde.
Einen gibt es, der den Weg zu eurer Tür kennt: Dem Leben könnt ihr euch entziehen, dem Tod hingegen nicht.
34
Während Billy am letzten Bissen seines Schinkensan d wichs kaute, läutete das Telefon.
Lieber hätte er nicht abgehoben. Er bekam nicht oft Anrufe von Freunden, und Lanny war tot. Er wusste, wer das war. Genug war genug.
Beim zwölften Läuten schob er den Stuhl zurück.
Bei seinem ersten Anruf hatte der Irre nichts gesagt. Er wollte seine Stimme nicht zu erkennen geben. Bestimmt würde er auch jetzt nichts tun, als Billy mit höhnischem Schweigen zuzuhören.
Beim sechzehnten Läuten stand Billy auf.
Diese Anrufe hatten keinen anderen Zweck, als ihn einz u schüchtern. Sie entgegenzunehmen hatte keinerlei Sinn.
Dann stand
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