Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
mehrtägiger Schlacht das persische Heer, die gleichzeitige Seeschlacht am Artemision an der Nordwestküste Euböas ging unentschieden aus, die griechische Flotte entging ihrem Untergang gerade so.
Jetzt stand die Sache Spitz auf Knopf. Mehr als zwei Dutzend griechische Stadtstaaten inklusive der Militärmacht Sparta taten sich in einer Eidgenossenschaft zusammen, um den Entscheidungskampf zu bestreiten. Bei aller Entschlossenheit dürfte so mancher es mit der Angst zu tun bekommen haben, denn die Truppen des Xerxes waren den alliierten griechischen Streitkräften um ein Vielfaches überlegen. Das Perserreich befand sich auf der Höhe seiner Macht, alle Verbündeten, darunter die weiterhin botmäßigen der unterworfenen kleinasiatischen Griechenstädte, steuerten Kontingente bei: Außer Persern dienten in Heer und Flotte Phönikier, Ionier, Karer, Kaspier, Äthiopier, Inder, Araber, Meder und viele andere mehr. Auch die befragten Orakel vermochten keine rechte Zuversicht bei den griechischen Alliierten aufkommen lassen – den Athenern riet ein Spruch, ans Ende der Welt zu fliehen.
Das alles verhieß nichts Gutes. Unvermeidlich, dass der nun folgende Schicksalskampf vielfachen Niederschlag bei Historikern und Dramatikern der Griechen fand. Nach deren Darstellung lag der persische Sieg eigentlich auf der Hand, denn sensationelle 1,7 Millionen Soldaten umfasste das Heer des Xerxes, berichtet Herodot. Um die unüberschaubare Menge, die Xerxes an dem Fluss Strymon (heute Strymonas bzw. Struma) östlich der Chalkidike einer Musterung unterzog, überhaupt zählen zu können, drängte man zehntausend Mann eng zusammen, markierte den Raum und berechnete die Gesamtzahl, indem man nach und nach alle Soldaten hindurchschickte. Dazu kamen außerdem 80000 Reiter und weitere 20000 mit Kamelen bzw. Streitwagen. Eine gigantische Zahl, die spätere Schreiber auf 700000 oder 800000 Mann korrigierten. Selbst diese Zahl ist enorm.
Wegen der persischen Bedrohung war Athen spätestens Anfang September evakuiert worden, Ende des Monats befand sich die Akropolis in feindlicher Hand, wurde geplündert und in Brand gesetzt. Der Kriegsrat der Griechen sprach sich für eine Seeschlacht in der Meerenge von Korinth aus, änderte dann aber auf Betreiben des Themistokles die Pläne und beließ die Kriegsflotte in Salamis. Die felsige, karge Insel liegt westlich vor Athen, getrennt vom Festland nur durch einen schmalen Streifen Wasser, keine zwei Kilometer breit, und in diesen Verhältnissen und durch umsichtiges Handeln vermochten die Griechen die persische Übermacht zu besiegen. Als schlachtentscheidend wird allerdings die Tatsache angesehen, dass die Griechen um Freiheit oder Versklavung kämpften, dass also der entscheidende Vorteil ein psychologischer war. Wie auch immer, den Perserkönig, der von einem eigens gebauten Thron auf dem Berg Egaleo (heute ein Stadtteil Athens) das Geschehen verfolgte, verließ die anfängliche Euphorie, als sich die Größe seiner Flotte immer mehr als Nachteil erwies. Als die Schlacht für ihn verloren war, zog er gen Norden zu den Dardanellen, ohne sein Ziel aufgegeben zu haben – er verfügte ja noch über seine Streitmacht zu Lande. Aber auch zwei letzte Schlachten – zu Lande 479 v. Chr. am Nordhang des Kithairon-Gebirges bei Platäa, wo die Spartaner und ihr überragender Feldherr Pausanias sich überaus eindrucksvoll bewährten und die Sache entschieden, und zur See bei Mykale vor der Ostküste von Samos – verloren die Perser vernichtend, die Auseinandersetzungen gingen allerdings noch einige Zeit weiter.
Der heroische Freiheitskampf nahm sich umso heldenhafter aus, je grandioser der Sieg beschrieben wurde. Folglich frisierten Herodot und seine Nachfolger die Zahlen der gegnerischen Truppenstärke massiv – zu allen Zeiten beeindrucken Rechenvergleiche mit hohem Gefälle. Damit lassen sich die verschiedenen Niederlagen im Ionischen Aufstand oder den Perserkriegen selbst mühelos entschuldigen, die Siege aber werden zu übermenschlicher Größe erhöht. Mögen die Griechen auch alle inneren Kräfte mobilisiert haben, weil es um alles oder nichts ging – militärisch waren sie den Persern durchaus einigermaßen gewachsen. Ganz abgesehen davon, dass die Griechen keine Gelegenheit hatten, die feindliche Truppenstärke durch Nachzählen zu bestimmen, und Herodot auch keine verlässlichen Gewährsmänner dafür zur Verfügung standen, sind die Zahlen nicht einmal als Schätzungen brauchbar.
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