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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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überhaupt, und der Begriff Demokratie taucht zum ersten Mal beim griechischen Geschichtsschreiber Herodot auf, um 430 v. Chr. Aber ist sie deshalb auch ein Rundum-Vorbild? Gehen moderne Demokratien überhaupt auf die athenische Volksherrschaft zurück? Waren die alten Griechen Demokraten par excellence ?
    Die Athener entwickelten die Demokratie als Regierungsform vor, während oder nach den Perserkriegen (wann genau, darüber streitet die Forschung), die Griechenland fast unter die Herrschaft des mächtigen persischen Großkönigs gebracht hätten. Mit der Entstehung der athenischen Demokratie verbinden sich meist entweder das Wirken des Reformers Kleisthenes (508/07 v. Chr.) oder die Namen Ephialtes und Perikles, die 462/61 v. Chr. die Politik des Stadtstaates zu prägen begannen. Eine ihrer Grundlagen war das wachsende politische Selbstbewusstsein der ärmeren Griechen aufgrund ihres Beitrags zum Sieg über die Perser. Da das Volk für den Unterhalt einer stehenden Flotte, die nunmehr als unverzichtbar angesehen wurde, gebraucht wurde, konnte es Anspruch auf politische Teilhabe erheben.
    Die Stadtrepublik ( polis ) Athen wurde also ein Bürgerstaat, an dessen Entscheidungsprozessen alle Bürger gleichermaßen beteiligt waren, unabhängig von Vermögen oder sozialem Status. Das war durchaus singulär und revolutionär, denn zuvor war Athen mal von Königen oder Adeligen, mal von Tyrannen oder wohlhabenden Bürgern regiert worden. Schon in der antiken Welt hat diese politische Innovation viel Bewunderung, aber auch Verdammung erfahren. Sie machte die Volksversammlung zum souveränen Organ, das alle wichtigen Entscheidungen zu treffen hatte. Diese ekklesia trat vierzigmal im Jahr auf der Pnyx, einem Hügel gleich westlich der Akropolis, zusammen, jeweils debattierten und entschieden wohl 6000 und mehr Männer. Die Versammlungen begannen bei Morgengrauen und gingen bis mittags, die Punkte der Tagesordnung wurden nach und nach abgearbeitet, jeder durfte sich dazu äußern. Einberufen wurde die ekklesia vom Rat der Fünfhundert, dem aus den zehn (von Kleisthenes künstlich festgelegten) attischen Stämmen je fünfzig per Losentscheid ernannte Männer über dreißig für ein Jahr angehörten. Er ist das Schlüsselgremium, das man aber weder mit einem Parlament noch mit einer Regierung verwechseln darf. Es gab keine gewählten Volksvertreter, die zwischen Wahlvolk und Regierung gestellt worden wären, und auch keine Parteien; Ämter wurden nur für kurze Perioden vergeben, häufig per Losentscheid. Hinsichtlich der Funktionsweise liegen die Unterschiede dieser direkten Form der Demokratie zur repräsentativen der meisten westlichen Staaten auf der Hand. Aber das ist nicht das Einzige, worin sich die Demokratie der Athener von dem unterscheidet, was wir heute unter Volksherrschaft verstehen.
    Zunächst war die Demokratie im antiken Griechenland eine vergleichsweise kurzlebige Angelegenheit, denn während die griechische Antike rund ein Jahrtausend dauerte, waren der Demokratie nur ein paar Jahrhunderte vergönnt – in ihrer voll ausgebildeten Form sogar nur die Zeit zwischen ca. 460 und 320 v. Chr. Dass Griechenland in der Antike überwiegend demokratisch regiert wurde, lässt sich also schwerlich behaupten. Und dann traf das ja auch nicht auf ganz Griechenland mit seinen weit über 200 selbstständigen Staaten zu, unter denen Athen mit der Größe des heutigen Luxemburg zu den größeren gehörte. Da die griechischen Stadtstaaten und Ethnien so klein waren, gestaltete sich die demokratische Machtausübung völlig anders, als es in den Nationalstaaten der Moderne der Fall ist: Demokratie war nachbarschaftlich und direkt, nicht so abstrakt wie heute.
    Moderne Demokratien beruhen außerdem auf der Gewaltenteilung, das heißt, unabhängig voneinander sollen die gesetzgebende, die ausführende und die rechtsprechende Gewalt sein. Die Griechen kannten diese Teilung nicht.
    Die griechische Demokratie war ohnehin eher eine Form der kollektiven Entscheidungsfindung im Kriegsfall als im Frieden. Friedenszeiten waren seltener als Kriegszustände, und während bei uns der Kriegsfall die demokratischen Abläufe mindestens erheblich einschränkt, wenn nicht aussetzt, hatte die Volksversammlung auf der Pnyx besonders häufig über Kriegsthemen zu befinden: ob man in den Kampf ziehen sollte, ob ein unfähiger Befehlshaber abzusetzen war, ob unbotmäßige Verbündete zu bestrafen waren oder welche Tributzahlungen sie zu leisten

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