Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
Nüchterne Forschungen haben ergeben, dass das persische Heer vermutlich 50000, allenfalls 100000 Mann umfasste – eine größere Zahl wäre bei üblichem Gefolge mitsamt Tieren auf dem Weg durch Kleinasien und entlang der Nordküste der Ägäis gar nicht zu verpflegen gewesen. Genau berechnet, wären schon für 210000 Soldaten mit 75000 Tieren auf dem Weg von der Stadt Sardes in Kleinasien, wo Xerxes seinen Feldzug begann, bis nach Athen auf geschätzten 170 Tagen rund 120000 Tonnen Getreide, 65000 Tonnen Tierfutter sowie über 450 Millionen Liter Trinkwasser nötig gewesen – pro Tag, wohlgemerkt. Auch der Umfang der Flotte war weitaus kleiner, als die griechischen Schreiber angeben – Herodot spricht von 600 Schiffen, was alles in allem fast 100000 Mann Besatzung erfordert hätte. Man hätte derart viele Schiffe nebst Besatzung wohl zusammenholen können, aber das hätte die Handelsflotte des Perserreiches so sehr beansprucht, dass Handel und Versorgung arg gelitten hätten. Und die Zahl der Soldaten und Besatzungen übersteigt die Leistungsfähigkeit der damaligen Bevölkerung erheblich.
Die Geschichte der Kriege schreiben die Sieger, und die griechischen Geschichtsschreiber machten ihre Sache, politisch gesehen, vortrefflich. In diesem Fall aber fehlt noch dazu eine persische Version des Geschehens als Gegendarstellung. Das griechische Bild der Perserkriege aber, vom demokratischen Kampf gegen Tyrannei, in dem der Freiheitsdrang eines Kulturvolkes gegen eine dekadente Despotie aufbegehrt und obsiegt, herrscht in der westlichen Welt bis heute vor. Vor allem die Schlachten von Marathon und Salamis wurden, bei aller welthistorischen Bedeutung, mythisch überhöht, die Sieger vergöttlicht und die Gräber ihrer Gefallenen zu Altären erklärt. Platon bezeichnete die Sieger von Marathon als »Väter der Freiheit, unserer und insgesamt aller auf diesem Festland«, und Plutarch geht sehr viel später so weit, die errungene Freiheit sei von den Griechen an die gesamte Menschheit weitergegeben worden. Überall in Griechenland erinnerten Denkmäler und Trophäen, Gedenktage und Feste an die ruhmreichen Siege, landauf, landab war ein Kriterium in der Einschätzung von Landsleuten, wie es ihre jeweilige Polis wohl mit den Persern gehalten habe – standhaft oder korrumpiert. Vielleicht auch, um diese gespaltene Vergangenheit zu überdecken, definierten sich die Griechen seither als einig Gegenbild zu den Persern, die nunmehr als die Barbaren schlechthin galten – was aber nicht verhinderte, dass wenige Generationen nach den Perserkriegen das Orientalisch-Persische zur Modeerscheinung wurde. Der vereinte Kraftakt wurde politisch instrumentalisiert, als im Peloponnesischen Krieg Griechenland einen schrecklichen Bürgerkrieg erlebte – da beschwor man die nunmehr verlorene Einheit von Hellas im Kampf gegen ausländische Invasoren.
Diese vereinfachende Sichtweise übernahmen Alexander der Große, als er das Perserreich erklärtermaßen als Revanche für die Kriege des frühen 5. Jahrhunderts niederrang, und später die Römer, die sich ohnehin als Erben der Griechen und Makedonier verstanden – eben auch in der Verteidigung des Westens gegen alles Barbarische. Im 19. und 20. Jahrhundert griffen europäische Historiker diese ideologische Sichtweise auf und verankerten sie im Weltbild des Westens. Der Philosoph Hegel befand 1837 gar: »Denn es sind welthistorische Siege: Sie haben die Bildung und die geistige Macht gerettet und dem asiatischen Prinzipe alle Kraft entzogen.«
Die alten Griechen waren lupenreine Demokraten – IRRTUM!
Als anlässlich der europäischen Schulden- und Währungskrise und wegen der massiven Finanzierungsprobleme Griechenlands von verschiedenen Seiten die Mitgliedschaft des Balkanstaates in der Eurozone zur Disposition gestellt wurde, erklang ein ebenso bekanntes wie unerhebliches Argument für den Verbleib der Griechen im Euro-Hafen. Es hatte schon herhalten müssen, als vor der Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung diskutiert wurde, ob Griechenlands Wirtschaftskraft für den Euro ausreiche: Griechenland müsse schon deshalb Teil der Eurozone werden, weil es die Wiege Europas und der westlichen Demokratie sei, ohne Hellas sei die ganze Sache nur eine halbe. In der Tat sehen sich westliche Demokratien in gewisser Weise als politische Erben des antiken Griechenland – die Volksherrschaft in Athen ist ja auch die älteste bekannte demokratische Regierungsform
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