Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
bestätigen das von anderer Seite: Insgesamt wurden 2182 Bomben über den Fabrikanlagen abgeworfen, von denen aber nur 263 auf Gebäude fielen und wiederum ein Großteil gleich unter dem Dach explodierte, anstatt weiter unten maßgebliche Zerstörung anzurichten. Bei der schlechten Bombenbilanz mag mitgespielt haben, dass man sich im späteren Wolfsburg während des Krieges große Mühe gab, den Schaden von vornherein zu begrenzen: Zur Desorientierung der Bomberpiloten wurden der Mittellandkanal abgedeckt, Vernebelungsanlagen installiert und sogar ein Scheinwerk errichtet. Von den vier Produktionshallen war lediglich eine zu zwei Dritteln zerstört, insgesamt ein Fünftel der baulichen Anlagen war kaputt.
Angesichts dieser erträglichen Schadensbilanz machte man sich ans Werk. Zudem zahlte sich nunmehr aus, dass die Fabrik vor dem Krieg auf dem neusten Stand der Technik errichtet und mit eigener Stromversorgung ausgestattet worden war. Das hitlersche Volksauto, von Ferdinand Porsche entworfen und für unter 1000 Reichsmark seit Jahren beworben, das im Krieg als Kübelwagen reüssiert hatte, wurde nun für die britische Besatzungsmacht und deutsche Behörden gefertigt. Das erwies sich als ein weiterer Vorteil, weil die britische Militärbehörde aus diesem Grund das Werk förderte und Demontagen verhinderte. Bereits im März 1946 konnte man den tausendsten Volkswagen gebührend feiern, ein halbes Jahr später waren es bereits zehntausend. Verkauft wurden sie zunächst ins Ausland, in Deutschland mangelte es noch bis zur Währungsreform 1948 an Nachfrage. Und auch dann blieben Fahrrad und Motorrad für einige Zeit die Volksvehikel der bescheidenen Möglichkeiten – erstmals 1957 überstieg die Zahl der Autos die der Motorräder.
Volkswagen erhielt zudem 1947 in Heinrich Nordhoff, ein vormaliger Opel-Mann, einen gewieften Chef, der sich auf das Modell Käfer konzentrierte und so den beispiellosen Aufstieg des heute weltweit größten Autokonzerns einleitete. Dass 1956 die junge Bundesrepublik zum größten Autoexporteur der Welt wurde, war dem Erfolg des VW Käfer zu verdanken, der im Jahr darauf zwei Millionen Mal produziert wurde. Zunächst stiegen Kanadier und Brasilianer in den Kleinwagen mit dem charakteristischen Buckel, dann Autofahrer in den USA, Südafrika, Australien und schließlich sogar in Frankreich. Als Inbegriff des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs in Westdeutschland verlieh man dem Käfer und seinem Heimatwerk die unbefleckte Aura eines Newcomers. Dass der Wagen, der nun weltweit als sympathisches Freiheitsvehikel angepriesen wurde, einst für eine totalitäre Gesellschaft und ihre gleichgeschalteten Volksgenossen entworfen worden war, ließ man tunlichst unter den Tisch fallen. Und dazu gehörte die Legende, 1945 wie der Rest des Landes bei null angefangen zu haben. Dem kam zupass, dass die Fabrik ausweislich zahlreicher Fotos mehr als ramponiert wirkte und externen Berichten auch ausländischer Beobachter zufolge die Fabriken größtenteils zerstört waren – auch wenn in diesem Fall der Augenschein trog. Dennoch: VW-Chef Nordhoff höchstpersönlich bestätigte die allgemeine Ansicht, seiner Aussage zufolge war die tatsächliche Zerstörung total.
Sogar ein Roman über die Geschichte des Werkes wurde verfasst, in dem der Autor Horst Mönnich den Käfer verherrlichte, um ihn seiner zweifelhaften Herkunft als »KdF-Wagen« zu entheben: »Es war ein Zusammenfall genialer Ideen an einem Grenzpunkt technischer Entwicklung. Das bewies es jetzt. Mit wunderbarer Selbständigkeit schüttelte es die Asche verbrannter Hirngespinste von den Schultern, machte erst ein paar unsichere Schritte, bekam Boden unter die Füße, und die fremden Ammen, die herbeigeeilt, um es schnell zu ersäufen, drückten es an ihre schwere, breite Milchbrust, stärkten es, und über Schutthalden hin machte es erst an ihrer Hand, dann allein seine anfangs kurzen, dann immer ausgedehnteren Spaziergänge, bis es alle Zeichen von Unterernährung abgelegt hatte.«
Ganz unwidersprochen blieb die frisierte Biographie aber nicht: In den USA erschien die »Ode an einen Herrenvolkswagen«, in der es heißt:
Heil du, Geschäft des Jahrhunderts,
Herrenvolkswagen, kurz VW.
Vom Führer selbst so benannt, wie’s heißt.
Ursprünglich nur fürs Herrenvolk gedacht,
Jetzt für jedermann, einschließlich Nicht-Arier,
und sogar für Juden und Neger zu haben.
Solche ebenso bissigen wie berechtigten Einwände gegen die Erfolgsgeschichte
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