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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Übrigen verstärkte Skanderbegs erbitterter Widerstand die osmanische Herrschaft nur und ließ die Türken in Albanien auch nach dem Sieg mit harter Hand regieren.
    Am Sockel von Helden zu kratzen gehört zu den Aufgaben einer kritischen Geschichtswissenschaft, die immer gut daran tut, sich politisch oder ideologisch nicht vereinnahmen zu lassen. Was der Schweizer Historiker in seiner akribisch recherchierten, umfassenden Biographie schreibt, ist in der Tat ein Schlag ins Kontor derjenigen, die einen Nationalmythos so bewahren wollen, wie sie ihn lieb gewonnen haben oder wie er ihnen nützlich ist. Es verhält sich nun einmal so, wie ein Rezensent schrieb: »Heute gibt es zwei Skanderbegs – den historischen und den zum Nationalheld erhobenen Mythos, wie er in albanischen Schulen und von nationalistischen Intellektuellen in Tirana oder Prishtina dargestellt wird. Beide haben weniger miteinander zu tun als entfernte Verwandte.« Das hat der Albaner mit vielen anderen Nationalhelden gemeinsam, die zum Mythos erhoben wurden.

Die Bosnier traten sofort nach der osmanischen Eroberung massenhaft zum Islam über – IRRTUM!
    Der Balkan ist bekannt für seine turbulente, oft tragische Geschichte: gelegen zwischen Orient und Okzident, stets den Begehrlichkeiten großer Mächte ausgeliefert und von einer ethnisch-religiösen Vielfalt, die sich bis auf den heutigen Tag immer wieder als Sprengstoff erwiesen hat. Die Eroberung durch das Osmanische Reich brachte im 15. Jahrhundert den Islam auf den Balkan, und abgesehen von den Albanern sind die Muslime von Bosnien und Herzegowina, obwohl ganz überwiegend slawischer Herkunft, die größte islamische Volksgruppe in Europa. Die rundherum entstehenden Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts ließen die bosnischen Muslime denn auch lange unbeeindruckt, sie verstanden sich als Teil des Osmanischen Reiches. Erst in den 1970er-Jahren äußerte sich eine Selbstwahrnehmung der bosnischen Muslime als eigene Nation unter den Völkern Jugoslawiens – im Unterschied zu den bosnischen Serben und Kroaten, die orthodox bzw. katholisch geprägt sind. In jugoslawischer Zeit war das von untergeordneter Bedeutung, nach dem Zerfall des Staates aber wurde es zu einer Schicksalsfrage. Die Bosniaken (muslimische Bosnier) bestehen darauf, schon vor der osmanischen Eroberung eine gewisse ethnische Eigenständigkeit besessen zu haben, serbische Nationalisten dagegen betrachten sie als vom orthodoxen Glauben abgefallene Landeskinder und leiten daraus einen territorialen Anspruch ab. All dies ist politisch und emotional noch immer enorm aufgeladen und hat das Klima auf dem Balkan nachhaltig vergiftet.
    Die osmanische Eroberung Bosniens im 15. Jahrhundert ging sehr schnell vonstatten, wenn man davon absieht, dass der nördliche Teil später an Ungarn fiel und erst 1527, nach der verheerenden ungarischen Niederlage gegen die Osmanen bei Mohács, für Jahrhunderte türkisch wurde. Die Herzegowina war ab 1482 ganz in osmanischer Hand. Das Königreich Bosnien fiel bereits 1463, zehn Jahre nach der Eroberung Konstantinopels, als der letzte König Stefan Tomašević nach nur zwei Regierungsjahren vor der militärischen Kraft und der bösen List des Sultans Mehmed II. des Eroberers kapitulieren musste und geköpft wurde. Militärisch gesehen war der osmanische Feldzug eine Eroberung wie aus dem Bilderbuch: bestens vorbereitet, schnell durchgeführt und dauerhaft verankert. Der Islam hatte in Bosnien da bereits seine Spuren hinterlassen – zuerst in der Gegend um Sarajevo, wo die Osmanen einen militärischen Außenposten unterhielten. Sarajevo selbst besaß bereits eine Moschee und eine islamische Infrastruktur, die Stadt entwickelte sich unter den Osmanen rasch zu einer blühenden islamischen Metropole.
    Zuvor waren die religiösen Verhältnisse einigermaßen verworren, was bis heute Kontroversen über den tatsächlichen Stand der Dinge nährt. Seit dem 9. Jahrhundert kamen Missionare aus Rom und Konstantinopel auf den Balkan, wo die Grenze zwischen dem 476 untergegangenen Weströmischen und dem Byzantinischen Reich verlief – seit der Kirchenspaltung im Jahr 1054 kämpften sie gegeneinander um die Seelen der Balkanvölker. Während Rom sich in Kroatien und Dalmatien durchsetzte, wurde in Bulgarien, Mazedonien und Serbien die orthodoxe Kirche maßgeblich. Dazwischen lag Bosnien, das überwiegend aufs römische Konto ging, während die spätere Herzegowina orthodox wurde. Einfluss und Präsenz der

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