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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Monate belagerte, aber trotz zahlenmäßiger Überlegenheit seiner Truppen von den Albanern geschlagen werden konnte. Die europäische Christenheit feierte Skanderbeg als Helden, Papst Nikolaus V. sandte Glückwünsche, sein Nachfolger Calixt III. verlieh ihm den Titel eines athleta Christi .
    Dann aber begab sich Skanderbeg in die Abhängigkeit von Neapel und Rom, weswegen Venedig eifersüchtig auf den Plan trat und auf dem Balkan einen Stellvertreterkrieg gegen den Rivalen Neapel vom Zaun brach. Das wiederum behinderte Skanderbegs Kampf gegen das Osmanische Reich. Einige Zeit zog sich der Kampf noch hin, unterbrochen von Waffenstillstandsverträgen mit den Türken, bis 1466/67 der neue Sultan Mehmed II. sich der Sache in aller grausamen Entschiedenheit zuwandte. Mehmed hatte 1453 bereits Konstantinopel erobert und die wichtigste Kirche der orthodoxen Christenheit, die Hagia Sophia, in eine Moschee umgewidmet. Anschließend richtete sich sein Interesse auf den Balkan, den er bis zur Adria unter osmanische Herrschaft brachte. Nunmehr geriet Skanderbeg ins Hintertreffen, zumal die Liga längst bröckelte. Mehmed höchstpersönlich belagerte Kruja, wenn auch zunächst vergeblich. Als Skanderbeg 1468 starb, war der albanische Kampf zwar noch nicht beendet, mehrere Städte behaupteten sich noch bis Anfang der 1570er-Jahre, die unzugänglichen Bergregionen sogar darüber hinaus. Aber die Symbolfigur des vereinten Kampfes fehlte, und Albanien stand fortan für fast ein halbes Jahrtausend unter osmanischer Herrschaft.
    Der Mythos des albanischen Volkshelden Skanderbeg hat seither einige Kurven genommen: Zunächst wurde er von der westlichen Christenheit inmitten der Bedrohung durch die Osmanen zum Helden im Widerstand gegen den Islam gemacht. Im 19. Jahrhundert erhob man ihn im Zuge der Nationalbewegung für den Unabhängigkeitskampf der Albaner gegen die andauernde türkische Herrschaft zum Symbol der Nation. Und als Albaniens kommunistischer Staatschef Hodscha 1960 mit der Sowjetunion brach, wurde Skanderbeg erneut zum Symbol – und in Tirana ersetzte sein Denkmal das Stalins. Die Festung Albanien, das sich isolierte und gegen alles Auswärtige zu behaupten suchte, wurde gleichgesetzt mit der Festung Kruja, auf der Skanderbeg den Türken trotzte. Heute gilt Skanderbeg vielen außer als Pate der Nation als Symbol für die Zugehörigkeit Albaniens zu Europa, dem man sich annähern will.
    Zu den Fragen, die der zu Beginn erwähnte Historiker Schmitt in seiner Skanderbeg-Biographie anspricht, gehört auch dessen ethnische Zugehörigkeit – auf dem Balkan stets eine sehr heikle Frage. Heute jedenfalls, denn im Mittelalter spielte das eine untergeordnete Rolle. Schmitt identifiziert Skanderbegs Mutter als Slawin, was im historischen Kontext eigentlich nicht überrascht, aber es rührt nicht nur am Mythos des albanischen Urvaters, sondern berührt auch die aktuelle Politik, denn danach könnte Skanderbeg mütterlicherseits serbischer Herkunft sein. Auch Skanderbegs Vater legte wohl keinen Wert auf die albanische Schreibweise seines Vornamens Johannes (Gjon), sondern hieß Ivan – die Verwendung slawischer Namensschreibung war damals verbreitet. Als Inbegriff einer Nation, die sich gegen das Slawentum behaupten musste, nutzt er damit nur noch begrenzt. Dann die Sache mit der Religion: Skanderbeg wechselte den Glauben offenbar mehrfach, von christlich-orthodox zu muslimisch zu katholisch – auch das ist nicht ungewöhnlich. Schwieriger für den Gehalt des Mythos wird es beim Kampf gegen die Osmanen, denn viel spricht dafür, dass Skanderbegs Beweggrund nicht der Wunsch war, sein Land zu einen und zu befreien, sondern vor allem, seinen Vater zu rächen, der auf Befehl des Sultans ermordet worden war. Was schließlich die Bilanz der mehr als zwei Jahrzehnte währenden Kämpfe betrifft, so waren die Leidtragenden wie so oft die normalen Leute, deren Land verwüstet und deren Söhne getötet wurden – als der Widerstand aufgegeben wurde, verzeichnete Albanien einen empfindlichen Bevölkerungsrückgang. Hier lässt sich ein Grund für den bis heute wirksamen Rückstand Albaniens ausmachen – auch das ein unliebsamer Kratzer am Denkmal. Und schließlich war der vereinte albanische Freiheitskampf weder so geeint noch so albanisch, wie oft dargestellt: Die Albanische Liga handelte nur kurze Zeit wirklich geschlossen, und andererseits beteiligten sich am Kampf gegen die Türken auch Bulgaren, Serben und Walachen. Im

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