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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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überein, die von Ratten übertragen wurde. Neuere archäologische Funde von Rattenknochen lassen zudem durchaus auf ausreichend große Rattenpopulationen schließen, um eine Epidemie auszulösen. Dass dies erst in jüngerer Zeit festgestellt wurde, dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass zuvor nicht so umfassend danach gesucht worden war und Rattenreste Archäologen leicht entgehen können. Inzwischen gilt als gesichert, dass im 14. Jahrhundert vielerorts die für einen Krankheitsausbruch kritische Masse von 3000 Tieren pro 0,5 Quadratkilometer überschritten war. Das stand auch im Zusammenhang mit dem Bevölkerungszuwachs vor dem Schwarzen Tod, denn mit wachsender Bevölkerungszahl steigt einerseits die Zahl der Ratten, andererseits sinkt die Zahl ihrer natürlichen Feinde. Die direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch kam zwar ebenfalls vor, aber erst im Gefolge der von Flöhen übertragenen Beulenpest und bei erheblich geringerer Bedeutung, weil die Verbreitung nicht so leicht vonstattengeht, wie gemeinhin angenommen. Auffällig sind zudem statistische Ergebnisse, nach denen in Berufsgruppen, die Ratten anziehen, also Fleischer oder Bäcker, spürbar mehr Opfer zu beklagen waren als unter Küfern oder Schmieden, deren Arbeitslärm Ratten fernhält. Und dass Berichte von massenhaft sterbenden Ratten fehlen, ist ebenfalls unzutreffend, es gab sie vereinzelt. Doch da die Tiere nicht mit der Krankheit in direkten Zusammenhang gebracht wurden, bestand für die meisten Beobachter auch keine Veranlassung, auf die toten Nager hinzuweisen. Dass beide Krankheitsverläufe vorkamen, bestätigen hingegen zahlreiche zeitgenössische Berichte. Als beispielsweise 1348 das päpstliche Avignon heimgesucht wurde, beobachtete der Leibarzt Clemens’ VI., Guy de Chauliac, einer der bedeutendsten Mediziner seiner Zeit, die beiden Verlaufsformen von Lungen- und Beulenpest eingehend.
    Die Ratten waren es also nicht allein, die die Pest in Europa verbreiteten, aber ohne sie hätte der Schwarze Tod nicht in wenigen Jahren ein Drittel der Europäer sprichwörtlich wie die Fliegen sterben lassen.

Der albanische Heerführer Skanderbeg ist ein makelloser Nationalheld – IRRTUM!
    Albanien liegt abseits der ausgetretenen europäischen Reisepfade und lässt eine touristische Infrastruktur weitgehend vermissen – dabei hat es einiges zu bieten, darunter viel unberührte Natur mit rauen Gebirgen und schroffen Küsten. Ob auf dem Land oder in der Hauptstadt Tirana, allenthalben stößt man auf den Namen Skanderbeg, sei es auf Straßenschildern, Kognakflaschen oder Standbildern. Das berühmteste Denkmal des Nationalhelden hoch zu Ross in Tirana ziert den gleichnamigen Platz, der von einem Sammelsurium an Architekturstilen verschiedener Epochen umgeben ist. Auf ihn führt der Prachtboulevard zu, an dem zahlreiche Lokale allerbesten Kaffee ausschenken. Errichtet wurde das Denkmal zum fünfhundertsten Todestag des albanischen Nationalhelden 1968, es ersetzte damals ein Stalindenkmal. Hinzu kam später gegenüber die Statue des kommunistischen Staatschefs Enver Hodscha, der 1991 vom Sockel gestürzt wurde – der Standort ist noch erkennbar. Zu den Gebäuden an der ausgedehnten Platzanlage gehören außer verschiedenen Ministerien, Bank und Parteizentrale das Historische Nationalmuseum und eine Moschee. Das spiegelt die albanische Gegenwart ebenso wider wie die Geschichte: Politik, Religion, Geschichte stehen in wechselseitiger Abhängigkeit und beeinflussen die nationale Gedenkkultur. Für den mittelalterlichen Albanerführer Skanderbeg gilt das ganz besonders.
    Mit Nationalhelden ist es so eine Sache: Nationen brauchen in ihrer Frühzeit ebenso wie unter Fremdherrschaft oder nach epochalen Veränderungen positive Identifikationsfiguren. Gefestigte Nationen in beruhigten Verhältnissen halten an ihnen liebevoll fest, müssen sich aber gefallen lassen, wenn Historiker ihnen ihre Helden madig machen, weil sie zwischen historischer Substanz und nachträglicher Zueignung unterscheiden. So verhält es sich auch im Fall Skanderbeg. Als vor einigen Jahren ein junger Historiker eine neue Biographie des Albanerfürsten vorlegte, brach in Albanien und Kosovo ein Sturm der Entrüstung los. Da half es auch nicht, dass der Mann Schweizer ist und der Parteinahme eher unverdächtig. Er habe Skanderbeg beleidigt, was natürlich einer Beleidigung aller Albaner gleichkam, selbst Historiker forderten staatliche Maßnahmen gegen die das Nationalgefühl

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