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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Kirche waren in Bosnien jedoch bedeutend weniger ausgeprägt als in den benachbarten Regionen, was Raum ließ für Formen von Religiosität, gegen die die Kurie rigoros vorgegangen wäre, hätte sie vor Ort über die nötigen Kapazitäten verfügt.
    Umstritten sind bis heute Wesen und Bedeutung der sogenannten bosnischen Kirche – noch immer hat die Vermutung, es habe sich um eine häretische, von Rom abgefallene und von der bulgarischen Ketzersekte der Bogumilen geprägte Organisation gehandelt, viele Fürsprecher, die nicht selten politisch motiviert sind. Auch hier verortet mancher die Wurzeln der bosnischen ethnischen Eigenständigkeit, während kroatische Nationalisten die Bogumilen als abgefallene Katholiken ansehen und somit die eigene bosnische Nationalität mitsamt Staat in Frage stellen. In der Tat sprechen päpstliche Akten aus dem 15. Jahrhundert vom schändlichen Treiben der Bogumilen in Bosnien, aber solche Berichte müssen noch lange nicht der Wahrheit entsprechen. Denn auch aus Ungarn kamen solche Vorwürfe, die auf römische Unterstützung für einen Kreuzzug in Bosnien abzielten, um damit Ungarn auf Dauer die Herrschaft über den Nachbarn einzubringen. Der Zulauf der bosnischen Kirche erklärt sich nicht zuletzt damit, dass wie in Albanien auch in Bosnien die katholische und die orthodoxe Kirche erbittert um die Vorherrschaft gestritten hatten, was sich entschieden zum Nachteil der Menschen auswirkte. Die Kirchenstruktur war überaus schwach ausgeprägt, die Priesterdichte ziemlich gering und damit die seelsorgerische Betreuung der Menschen lückenhaft, unzulänglich und unbefriedigend. Entsprechend schwach war die Bindung an die jeweilige Kirche, entsprechend stark die Rolle von Volks- und Aberglaube. In kriegerischen Zeiten voller Ungewissheit sucht der Glaube noch mehr als gewöhnlich eine sichere Burg, und die bot das Christentum in Bosnien längst nicht mehr.
    Die neue Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich bedeutete keineswegs den Zwang, zum Islam überzutreten, oder die unterschiedslose Diskriminierung anderer Religionen – oder gar die Einführung der Scharia. Mit Einschränkungen durften Christen und Juden weiter ihre Religion ausüben, auch eine eigene Zivilgerichtsbarkeit wurde ihnen zugestanden. Die katholische und die orthodoxe Kirche wurden allerdings nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst. Besonders katholische Würdenträger hatten es unter osmanischer Herrschaft schwer, weil sie als feindlich eingestellt galten. Trotzdem trat ein großer Teil der bosnischen Bevölkerung zum muslimischen Glauben über, was der verbreiteten Ansicht zufolge sogar sozusagen im Handumdrehen geschah. In Wahrheit aber gab es im Zuge der osmanischen Herrschaftsnahme in Bosnien weder freiwillige Massenübertritte zum Islam noch Zwangsbekehrungen im großen Stil.
    Tatsächlich nahm zwar ein großer Teil der Bevölkerung Bosniens den muslimischen Glauben an, aber keineswegs sofort und zudem überwiegend aus freier Entscheidung. Aus osmanischen Steuerlisten, die die Religionszugehörigkeit genau vermerkten, geht hervor, dass die Islamisierung anfangs sehr zögernd verlief – fünf Jahre nach der Eroberung beispielsweise war der entsprechende Bevölkerungsanteil noch verschwindend gering. Danach verschob sich das Verhältnis bei abnehmender Bevölkerungszahl, die vermutlich auf abwandernde Christen und Juden zurückzuführen ist, zugunsten des Islam. Aber erst Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts war eine Mehrheit der Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina islamisch geworden – 150 Jahre nach Beginn der osmanischen Herrschaft. Aus dem recht verlässlichen Bericht eines päpstlichen Gutachters aus dem Jahr 1624 geht hervor, dass damals doppelt so viele Muslime wie Christen in Bosnien lebten – unter den 225000 Christen wiederum waren doppelt so viele Katholiken wie Orthodoxe. Und auch wenn die größten religiösen Veränderungen den Übertritt zum Islam betrafen: Es existierte ganz allgemein in dieser Zeit des Umbruchs ein hohes Maß an religiöser Fluktuation, vor allem von katholisch zu orthodox, und ebenso Flüchtlingsbewegungen in verschiedene Richtungen.
    Eine weitere Legende besagt, der christliche Adel Bosniens sei mehr oder weniger geschlossen zum Islam übergetreten, um seinen Grundbesitz nicht zu verlieren. Diese Theorie stammt aus der Zeit der slawischen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert und stellt eine Form von Adels-Bashing dar. Nicht nur sicherten sich auf diese Weise, so der

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