Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
Vom Netzwerk:
Leistungsberechtigten eine Teilnahme an der Schaffung von Einkommen aktuell oder auf Dauer nicht im zuvor erreichten oder existenzsichernden Umfang möglich ist. Die Bedürftigkeitsprüfung ist – das ist ein zentrales Prinzip des bisherigen Systems – das Gegenstück zur Besteuerung nach Leistungsfähigkeit: Wie jeder so besteuert werden soll, dass er das gleiche »Opfer« für die Gesellschaft erbringt, so soll jeder in dem Maße unterstützt werden, wie er objektiv nicht in der Lage ist, für sein eigenes Auskommen und das der von ihm abhängigen Menschen, vor allem seiner Kinder, zu sorgen. 13
    Folgen der Bedingungslosigkeit
    Die gewollte generelle Entkoppelung des Anspruchs auf Grundeinkommen von jeglichen Bezugsbedingungen ist der Hauptkritikpunkt an dieser Form der Einkommensumverteilung. Jedes Umverteilungssystem funktioniert nur, wenn die materiellen Grundlagen mehr oder weniger stabil vorhanden sind, aus denen die von ihm versprochenen Leistungsansprüche befriedigt werden sollen. Das bedingungslose Grundeinkommen krankt daran, dass es – anders als die derzeit gültigen Umverteilungsregeln – die von ihm vorausgesetzte ökonomische Basis systematisch zerstört. Dabei sind mit »systematisch« aber nicht die Schlupflöcher und Missbrauchsmöglichkeiten gemeint, wie sie auch im aktuellen System der sozialen Sicherung bis zu einem gewissen Grad vorhanden sind und von wenigen zum Ärger vieler ausgenutzt werden können.
    Nein, die Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen ist viel grundlegender: Die wirtschaftliche Stabilität eines demokratischen Gesellschaftssystems beruht nicht zuletzt darauf, dass es seinen Mitgliedern Rahmenbedingungen setzt, innerhalb derer jede legale Verhaltensmöglichkeit, auch wenn sie von allen gleichzeitig wahrgenommen wird, zum Erhalt des Systems und nicht zu seinem Untergang beiträgt. Das ist sozusagen der Lackmustest beim gedanklichen Übergang vom einzelwirtschaftlichenRationalverhalten zu seinen gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen, den die Wirtschaftsordnung eines auf Freiheit basierenden, demokratisch organisierten Staates bestehen muss. Denn in einer Demokratie bedeutet die Freiheit des einzelnen, dass ihm innerhalb des gesetzlichen Rahmens keine Verhaltensvorschriften gemacht werden dürfen. Das erfordert aber, dass der gesetzliche Rahmen so vorgegeben sein muss, dass die Freiheit des einzelnen die Freiheit aller anderen nicht einschränkt.
    Dieses Prinzip leuchtet am Beispiel des Verkehrsrechts unmittelbar ein: Wenn jeder auf der Straße fahren darf, wo er möchte, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass alle dort zu fahren versuchen, wo gerade Platz ist, was die durchschnittliche Fortbewegungsgeschwindigkeit verringern und die Unfallhäufigkeit erhöhen dürfte. Also schränkt man die Freiheit jedes einzelnen zum Nutzen aller ein. Trotzdem schreibt man niemandem vor, von wo nach wo er fahren muss, weil eine solche Freiheitsbeschränkung zur Aufrechterhaltung von Mobilität und zur Vermeidung von Unfällen nicht notwendig ist.
    Beim bedingungslosen Grundeinkommen geht man sozusagen implizit davon aus, dass alle wie bisher aus Einsicht oder Gewohnheit rechts fahren, auch wenn man diese Verkehrsregel aufhebt und dem einzelnen damit erlaubt, sich nicht nur im Notfall, sondern generell anders zu verhalten. Dem einzelnen, der dann kurz mal links vorsichtig an einem Stau vorbeifahre, gehe es besser, weil er schneller vorankomme, ohne dass die im Stau Stehenden schlechtergestellt würden. Daher könne auch davon ausgegangen werden, dass alle weiterhin rechts führen, statt Chaos und damit mehr Staus zu produzieren. Dass das nicht funktioniert, liegt auf der Hand, weil ja jeder gern der Nutznießer des einsichtigen Verhaltens aller übrigen wäre. Das heißt, Regeln müssen in einer demokratischen Gesellschaft so gemacht sein, dass ein den Regeln entsprechendes gleiches Verhalten aller Gesellschaftsmitglieder – und zwar ganz egal, ob dieser Fall von Gleichverhalten als wahrscheinlich angesehen wird oder nicht – die Grundlagen des Zusammenlebens nicht in Frage stellt.
    Genau diese Funktionsvoraussetzung ist beim bedingungslosen Grundeinkommen nicht gegeben: Wenn sich alle Bürger eines Landes auf den Anspruch des bedingungslosen Grundeinkommens berufen und nur das tun, was ihnen gerade Spaß macht, was aber nicht notwendigerweise am Markt von irgendjemand anderem nachgefragt wird, gibt es keine ausreichende materielle Grundlage, aus der heraus die gesetzlichen Ansprüche

Weitere Kostenlose Bücher