Irrweg Grundeinkommen
jedes einzelnen gegen den Staat, gegen »die Allgemeinheit«, bedient werden können. Die Freiheit des einen, nicht am Erwerbsleben teilzunehmen, auch wenn er dazu in der Lage wäre, führt zum Zwang für andere, eben diese Freiheit des einen durch ihre eigene Arbeit und ihre eigene Bereitschaft, deren Früchte zu teilen, zu ermöglichen. Anderenfalls könnte der Staat seine Versprechungen gegenüber dem »freiwillig« Nicht-Arbeitenden nicht erfüllen. Das bedeutet, dass die Freiheit des einen sozusagen auf die »Unfreiheit« anderer angewiesen ist. Wollen alle die gleiche Freiheit nutzen, bricht das System in sich zusammen. Es mangelt ihm an Logik.
Daran ändert sich auch nichts, wenn man darauf setzt, dass es unwahrscheinlich sei, dass sich alle gleich verhielten, weil gerade die Bessersituierten keinen Anlass hätten, sich auf ein Wohlstandsniveau in der Nähe des Existenzminimums einzulassen. Es genügt, wenn eine Reihe von Leuten 1000 Euro monatlich, wie sie in einigen Modellvarianten als Grundeinkommen versprochen werden, weniger arbeiten gehen als derzeit, und schon kollabiert das System. Der Versuch einer relevanten Gruppe, diese Möglichkeit zu nutzen, kann einen Prozess auslösen, in dem immer mehr Menschen nicht einsehen, dass sie voll arbeiten, während andere für 1000 Euro weniger arbeiten, aber das gleiche Einkommen erzielen. Sie werden sich deshalb entweder selbst so zu verhalten beginnen oder gegen das System revoltieren, es zumindest zu unterlaufen suchen. In Lebensformen wie dem Kibbuz, wo jeder jeden kennt und seine Leistung sieht, mag das möglich sein. Dort kann man das Prinzip »jeder leistet, was er kann, und bekommt, was er braucht« anwenden. Denn dort ist die Anonymität so gering und damit der soziale Druck, sich fair zu verhalten, so hoch,dass das Prinzip durchsetzbar ist – von dem dabei verwirklichten Freiheitsbegriff einmal ganz abgesehen. In einer 80-Millionen-Gesellschaft sind derlei soziale Überschaubarkeit und Kontrolle utopisch.
Say’s Law rückwärts
Der besagte Mangel an Logik wird auch sichtbar, wenn man das bedingungslose Grundeinkommen dem berühmten Gesetz von Jean-Baptiste Say gegenüberstellt, dem »Say’s Law«. Dieses Gesetz lautet: »Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage.« Es bedeutet, dass niemand etwas am Markt anbietet, wenn er nicht die Absicht hat, mit dem durch sein Angebot erzielten Einkommen selbst Nachfrage zu entwickeln. Jemand, der auf Dauer nichts von anderen kaufen will, sondern lieber autark lebt, bietet anderen keine Waren und auch nicht seine Arbeitskraft zum Kauf an.
Zwar ist Say’s Law oft missinterpretiert worden in dem Sinne, dass sich die Wirtschaftspolitik nur um gute Angebotsbedingungen bemühen müsse, damit die Wirtschaft floriere, weil sich die Nachfrage schon ganz von selbst einstelle. Das ist klar zurückzuweisen. 14 Aber das mikroökomonische Prinzip hinter Say’s Law ist wichtig. Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens machen im Vergleich zu denen, die Say’s Law falsch interpretieren, den umgekehrten Gedankenfehler: Sie meinen, den Menschen einfach nur per Grundeinkommen ein gewisses Maß an Nachfragemöglichkeiten in die Hand drücken zu müssen, um Armuts- und Beschäftigungsprobleme zu beheben. Aber nur weil die Leute mit ihrem bedingungslosen Grundeinkommen etwas nachfragen, ist noch lange kein Angebot in gleicher Höhe entstanden, schon gar nicht ein zu den Nachfragewünschen passendes. Denn so wenig es ausreicht, allein auf günstige Angebotsbedingungen zu setzen, um das Angebot zu pushen, ohne zugleich für günstige Nachfragebedingungen zu sorgen, so falsch ist es andersherum, einfach nur nachfragewirksames Einkommen zu verteilen, ohne sich um dessen güterwirtschaftliche Fundierung auf der Angebotsseite zu kümmern.Wie man es auch dreht und wendet: Lässt man auf individueller Ebene eine Entkoppelung von Nachfrageberechtigung durch Angebotsbemühen als Allgemeinfall (also ohne Bedingungen wie Krankheit, Alter etc.) zu, passen Angebot und Nachfrage auf gesamtwirtschaftlicher Ebene irgendwann systematisch (und nicht allein aus konjunkturellen Gründen) nicht mehr zusammen.
Geldwertstabilität in Gefahr
Von der monetären Seite betrachtet, stellt sich das grundlegende Dilemma des bedingungslosen Grundeinkommens folgendermaßen dar: Geld ist in einer Marktwirtschaft eine Art Spiegelbild der vorhandenen, mit ihren Preisen bewerteten Güter. Im Gegensatz zu den auf Märkten gehandelten Gütern, die nach
Weitere Kostenlose Bücher