Irrweg Grundeinkommen
wie hier erläutert, voraussichtlich sogar katastrophalen Folgen für die angeblich Begünstigten? Bordmittel für eine Verbesserung der Lage der Armen gibt es genug. Sie reichen von am Existenzminimum tatsächlich orientierten Hartz-IV-Sätzen über einen vom Existenzminimum hinreichend entfernten, branchenunabhängigen Mindestlohn sowie flächendeckende Tarifverträge bis hin zu einer stärkeren Progression des Einkommensteuertarifs und einer breiten Bemessungsgrundlage, die etwa Kapitaleinkommen stärker einbezieht als bislang. Der Verdacht liegt nahe, dass alle diese Mittel deshalb nicht vehement von Seiten reicher Unternehmer vertreten werden, weil ihre Umverteilungswirkung von oben nach unten offensichtlich ist.
Die Idee, dass eine faire und das System Marktwirtschaft stützende Primär einkommensverteilung den Nebeneffekt hat, dass die Einkommen der Reichen nicht in den Himmel wachsen, behagt manchen Grundeinkommensbefürwortern offenbar weniger als der Gedanke, für die Armen »den Staat« sorgen zu lassen. Dabei wäre der Umfang des Umverteilungsbedarfs durch den Staat im Falle einer systemkonformeren Primärverteilung wesentlich geringer und somit auch die Auseinandersetzung über Anreizprobleme entschärft.
Dass man der schieren Not von Arbeitslosen und Geringverdienern dringend einen Riegel vorschieben muss, damit sie sich nicht menschenunwürdig ausnützen und an den Rand der Gesellschaft drängen lassen müssen, liegt auf der Hand. Das ist nicht nur im Interesse dieser permanent wachsenden Personengruppe, sondern letzten Endes der gesamten Gesellschaft, deren Stabilitätauf dem Spiel steht, wenn sich die ungleiche Entwicklung des Wohlstands wie im letzten Jahrzehnt fortsetzt. Das bedingungslose Grundeinkommen liefert diesen Riegel nicht.
Grundeinkommen nein, Mindestlohn ja – warum?
Dass das gegenwärtige System der staatlichen Umverteilung wie insbesondere auch das der Entstehung der Primäreinkommen reformiert werden müssen, ist keine Frage. Ein wesentliches Element der notwendigen Umgestaltung der Einkommensverteilung, von der Geringverdiener wie Arbeitslose (!) profitieren, ist der Mindestlohn. Er setzt bei den Primäreinkommen an und wird für Arbeitsleistung gezahlt, das unterscheidet ihn zentral vom Umverteilungsinstrument des bedingungslosen Grundeinkommens, das über die Sekundärverteilung funktioniert und auf das man unabhängig vom Angebot seiner Arbeitskraft Anspruch hat. Doch warum befürworten wir nicht beides, Grundeinkommen und Mindestlohn, wie das die Anhänger des Modells des emanzipatorischen Bürgergeldes tun? Und warum finden wir den Ansatz des Althaus-Modells, im Rahmen einer negativen Einkommensteuer Billiglöhne durch staatliche Transfers aufzustocken, also Kombilöhne zu zahlen, nicht ebenso praktikabel oder sogar zielführender als Mindestlöhne? Warum scheint uns die vollständige Entlastung des Faktors Arbeit von Steuern und Abgaben im Werner-Modell keine Verbesserung der Situation der Geringverdiener mit sich zu bringen, die einen Mindestlohn überflüssig macht? Unserer Ansicht nach meistern alle drei Grundeinkommensmodelle die Gratwanderung zwischen Autarkie und Ausbeutung nicht. Das BAG-Modell hat sozusagen Schlagseite in Richtung Autarkie, das von Althaus in Richtung Ausbeutung. Das Werner-Modell steckt unserer Ansicht nach tief in beiden Problembereichen.
Die Grundüberlegung hinter dem Mindestlohn ist ohne Zweifel der vielzitierte Satz »Man muss von seiner Hände Arbeit leben können«, und zwar ohne zusätzliche staatliche Unterstützung.Man muss so leben können, dass man im Vergleich zum durchschnittlichen Wohlstandsniveau der Gesellschaft noch nicht in Verhältnissen existieren muss, die mehr an Sklaverei als an Demokratie erinnern. Selbstverständlich ist das ein relativer und kein absoluter Maßstab, wie das übrigens auch für die Höhe des Existenzminimums gilt. Der Mindestlohn muss so bemessen sein, dass ein Alleinlebender 24 bei Vollzeitbeschäftigung von seinem Arbeitseinkommen nicht nur physisch über leben kann – das wäre ein absoluter Maßstab –, sondern auch noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann und – das ist der entscheidende Unterschied zum Existenzminimum – spürbar besser dasteht als der Bezieher von Transfereinkommen in Höhe des Existenzminimums. Dieser Einkommensabstand ist für die Motivation der Arbeitenden und Arbeitsuchenden wie aus Gründen der Gerechtigkeit unabdingbar.
Standardargumentation gegen den
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