Irrweg Grundeinkommen
Das setzt allerdings voraus, dass Politik und Tarifpartner die Funktionsweise der Lohnpolitik verstehen und sie akzeptieren. Dass die Preise für Dienstleistungen relativ zu denen in der Industrie im Zuge dieses Strukturwandels spürbarsteigen werden, ist dabei der »natürliche« und auch wünschenswerte Lauf der marktwirtschaftlichen Dinge.
Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen stellt sich die Bewältigung der Folgen des demographischen Wandels jedoch weitaus schwieriger dar, weil, wie gesagt, von einer anreizbedingt rückläufigen Arbeitsteilung beziehungsweise umgekehrt von zunehmender Autarkie ausgegangen werden muss. Das aber ist Gift für die gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerung, die mit zunehmender Spezialisierung und Arbeitsteilung Hand in Hand geht. Mit anderen Worten: Das bedingungslose Grundeinkommen schwächt die Basis für die Bewältigung der demographischen Verschiebungen.
Auch die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Bewältigung des Klimawandels dürften durch zunehmende Autarkie eher größer als kleiner werden – ein weiteres wichtiges Argument gegen das bedingungslose Grundeinkommen und die Produktivitätsskeptiker. Wer, um es plastisch auszudrücken, auf niedrigem Einkommensniveau teilweise autark lebt, der wird auch eher auf Brennholz für seinen simplen Kachelofen zurückgreifen, statt teure Fernwärme aus einer mit modernster Filtertechnik ausgestatteten Heizungsanlage für Holzpellets zu beziehen. Die Umweltzerstörung in den ärmsten Ländern dieser Erde spricht Bände, was die ökologischen Vor- und Nachteile der Autarkie und geringer Produktivität betrifft.
Umgekehrt sorgt die Lösung unserer Umweltprobleme dafür, dass uns die Arbeit bei weitem nicht ausgehen wird. Hier liegt jedoch im Gegensatz zum oben erwähnten Bereich der Dienstleistungen bei Pflege oder Bildung das Problem der Schaffung von Arbeitsplätzen etwas anders. Denn bei der Reinhaltung beziehungsweise Verbesserung unserer Luft-, Boden- und Wasserqualität sowie beim Klimaschutz handelt es sich in der Regel um die Bereitstellung öffentlicher Güter beziehungsweise die Eindämmung negativer externer Effekte privatwirtschaftlichen Handelns. 22
Der Staat muss ordnungspolitische Vorgaben machen, wie die Umwelt zu schützen oder wieder in Ordnung zu bringen ist. DieMittel, die für die Beseitigung bereits entstandener, nicht mehr einzelwirtschaftlich zuordenbarer oder »belangbarer« Schäden notwendig sind, muss die Gesellschaft per Steuern aufbringen. Für die Verhinderung oder Beseitigung neuer Schäden kann und muss der Staat Vorschriften erlassen und durchsetzen. Diese können auch in einer sinnvollen Besteuerung umweltbelastender Aktivitäten bestehen. Dazu gehört beispielsweise, dass der Staat für vergleichsweise umweltschädliches Produzieren keine Ausnahmeregelungen zulässt, nur weil von Lobbyisten eine Verteuerung der entsprechenden Produktion gefürchtet wird wie etwa im Fall der Strompreise für energieintensive Branchen. Nur wenn die entsprechenden Produkte in ihren Preisen die negativen Umwelteffekte ihrer Produktionsumstände vollständig widerspiegeln, lohnen sich Investitionen in umweltfreundlichere Produktionstechnologien und überlegen Verbraucher, ob sie diese Produkte tatsächlich in der bisherigen Menge benötigen.
Will man den Preismechanismus der Marktwirtschaft für eine schonende, nachhaltige Nutzung der Umwelt einsetzen – wofür er sich hervorragend eignet –, darf man ihn nicht immer wieder an entscheidender Stelle außer Kraft setzen. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen dürften diese dringenden Zukunftsaufgaben noch schwerer zu bewerkstelligen sein, weil der Zwang zur Arbeit bewusst aufgehoben wird und damit die Verfügbarkeit von Arbeitskräften noch stärker abnimmt und zugleich die Finanzierbarkeit zusätzlicher staatlicher Aufgaben über Steuern noch unwahrscheinlicher wird.
Transfervolumen und Anreizprobleme
Neben der qualitativen Dimension ist auch die quantitative Dimension der Umverteilung in einem System des bedingungslosen Grundeinkommens zu bedenken. Egal, nach welchem Auszahlungsschema Leistungen des heutigen Sozialversicherungssystems in einem Grundeinkommenssystem abgedeckt werden: Wenn es der Masse der bisherigen Transferempfänger, also Alten, Kranken, Unfallopfern, Arbeitslosen und Kindern aus einkommensschwachenHaushalten, nicht schlechter gehen soll als bisher, ergibt sich schon aus diesen Aufgaben ein ungefähr gleich hohes Transfervolumen wie
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