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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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Mindestlohn …
    Die Gegner des Mindestlohns warnen, dass seine Einführung die Zahl der angebotenen Arbeitsplätze am unteren Rand des Qualifikationsspektrums der Arbeitskräfte reduzieren würde. Begründung: Jeder Arbeitsplatz könne nicht höher entlohnt werden als mit seiner spezifischen Produktivität, weil er sich sonst für den Arbeitgeber nicht rechne. Jobs, in denen nicht mehr geleistet würde als der Gegenwert von zum Beispiel vier Euro pro Stunde, würden bei einem Mindestlohn oberhalb dieses Produktivitätswertes gestrichen. Auf diese Weise käme eine relativ bessere Bezahlung via Mindestlohn wesentlich weniger Menschen zugute, als heute im Niedriglohnsektor arbeiten, während die übrigen, deren Arbeitsplätze wegfielen, mit den geringeren Transfers in Höhe des Existenzminimums auskommen müssten. Und erst recht hätten gering qualifizierte Arbeitslose dann noch weniger Chancen, wieder eine Beschäftigung zu finden. Mit einem Mindestlohn schade man also insgesamt genau der Gruppe von Menschen, der man (angeblich) helfen wolle, auch wenn man einzelne etwas besserstelle.
    … und pro Kombilohn …
    Hilfreicher sei daher, sehr niedrige Löhne durch staatliche Transfers aufzustocken: Auf diese Weise blieben die Arbeitsplätze Geringqualifizierter erhalten oder entstünden sogar neue und hätten die dort Arbeitenden trotz geringen Primäreinkommens ein besseres Auskommen als die nur von Transfers Lebenden – eine Lösung, die Motivations- und Gerechtigkeitsaspekte mit einer unternehmensfreundlichen Gestaltung der Entlohnung Geringqualifizierter sinnvoll verbinde. In diesem Punkt treffen sich die neoliberal argumentierenden Mindestlohngegner und alle Anhänger von Kombilohn-Modellen, Modellen aktivierender Sozialhilfe oder sonstigen Lohnsubventionsvorschlägen mit den Grundeinkommensbefürwortern, die das Modell von Althaus präferieren: Ein Grundeinkommen, das kaum höher als die Transfers für das Existenzminimum ist, biete auch bei Bedingungslosigkeit hohe Anreize zur Arbeitsaufnahme. Und eine erfolgreiche Stellensuche sei viel wahrscheinlicher, wenn man sehr niedrige Löhne zulasse, weil dann für Geringqualifizierte praktisch immer berufliche Tätigkeiten angeboten würden. Trotzdem müsse niemand von Hungerlöhnen leben. Die Aufstockung durch staatliche Transfers müsse für einen angemessenen Abstand zwischen Existenzminimum respektive Grundeinkommen auf der einen und den verfügbaren Einkommen von Arbeitnehmern auf der anderen Seite sorgen. 25
    Diese Überlegung ist grundlegend falsch. Einfache Arbeiten werden in einer Marktwirtschaft im Laufe der Zeit wegrationalisiert, egal, wie hoch oder tief der Lohn auf Dauer für sie ist. Ein Stundenlohn von 50 Cent würde die Erfindung, den Bau und die Renovierung von Wasserleitungen niemals verhindern und somit den Beruf des Wasserträgers weder »schützen« noch sozusagen wieder »auferstehen« lassen. Auch der Handwebstuhl kehrt auf diesem Weg nicht zurück. Solange für eine Arbeit noch keine Rationalisierungsmöglichkeit gefunden worden ist, sie jedoch für die Herstellung eines Produktes notwendig ist, muss sie in dem Umfang erledigt werden, in dem das Produkt nachgefragt wird. Unddann muss derjenige, der diese (noch nicht wegrationalisierte) Arbeit verrichtet, ohne Wenn und Aber von ihr leben können, und zwar ohne dass der Staat sie bezuschusst. So viel Lohn muss der Marktpreis des Produkts hergeben. Sich gegen den Strukturwandel, der mit der marktwirtschaftlichen Arbeitsteilung in einer freien Gesellschaft immer verbunden ist, durch Lohnsubvention stemmen zu wollen, ist eine auf Dauer zum Scheitern verurteilte Strategie. Die Antwort auf das Aussterben von »Wasserträger«-Berufen muss die Qualifizierung der Arbeitskräfte sein. Das Aussterben der »Wasserträger«-Berufe auf zu hohe Löhne für die entsprechenden Arbeitskräfte zurückzuführen zeugt von mangelndem makroökonomischen Sachverstand. 26
    In längeren Phasen guter Konjunktur, also zum Beispiel in den Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders in den 1950er und 1960er Jahren, hat sich niemand über das Aussterben bestimmter geringqualifizierter Berufe beklagt. Vielmehr herrschte ein Mangel an Arbeitskräften, so dass man um jede Rationalisierungsmöglichkeit und obendrein über die Zuwanderung von Arbeitskräften froh war. Niemand kam auf die Idee, einfache Jobs durch Niedriglöhne bewahren und den Strukturwandel bremsen zu wollen, vielmehr war man um die Qualifizierung der Arbeitskräfte

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