Irrweg Grundeinkommen
erodieren die Löhne der untersten Lohngruppen immer mehr, wenn man den Marktmechanismus frei schalten und walten lässt. Denn die Gewerkschaften haben in einer solch fatalen Lage kaum die Kraft, ihre Mitglieder für die Durchsetzung eines Mindestlohns deutlich oberhalb des Existenzminimums zu mobilisieren.
Stabilisierungsfunktion der Wirtschaftspolitik
Nur die Politik ist de facto in der Lage, hier mittels eines gesetzlich vorgeschriebenen flächendeckenden Mindestlohns den notwendigenRiegel vor die zerstörerische Macht des Marktes zu schieben. Diese Aufgabe muss die Politik aber erst einmal erkennen, um sie wahrzunehmen. Sie muss verstehen, dass der Marktmechanismus die Stabilisierung einer Volkswirtschaft nicht allein zustande bringen kann.
Erstaunlicherweise tut sich die Politik im umgekehrten Fall, im Fall einer überbordenden Wirtschaftsentwicklung, viel leichter, die Notbremse von außen zu ziehen: Allein gelassen, würde das reine Marktgeschehen in einer Boomphase zu einer sich ständig beschleunigenden Inflation führen. Dem kann die Geldpolitik mit hohen Leitzinsen entgegenwirken, die die Sachinvestitionen bremsen. Von dieser Möglichkeit ist in Deutschland seit den 1970er Jahren stets viel und früh Gebrauch gemacht worden. Die Gewerkschaften haben das schmerzlich erfahren und daraus den Schluss gezogen, in Boomphasen den Bogen nicht so weit zu spannen, wie es ihnen die aktuelle Marktlage gerade erlauben würde, um nicht die Geldpolitik mit ihrer Zinsbremse anschließend auf den Plan zu rufen. Das heißt, im Boomfall handelt die Wirtschaftspolitik explizit gegen die Marktkräfte, ohne dass irgendjemand auf die Idee käme, dies als Verstoß gegen die Regeln der Marktwirtschaft zu brandmarken. Ganz im Gegenteil: Die Bewahrung der Preisstabilität gilt als eine der wichtigsten Aufgaben der Wirtschaftspolitik, zu der die Lohnpolitik unter dem Damoklesschwert der Geldpolitik beizutragen habe.
Von der Lohnpolitik wird von allen Seiten – den Arbeitgebern, den Wirtschaftspolitikern, darunter explizit den Geldpolitikern, und der großen Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler – also schlicht erwartet, sich im Aufschwung oder spätestens im Boom gegen die Marktkräfte zu lehnen und weit vorausschauend zu verhalten. Dass die Lohnpolitik das andersherum im Abschwung ebenso tun und gegen den Abwärtstrend vernünftige Lohnabschlüsse zustande bringen müsste, davon ist hingegen nicht die Rede. Das ist umso schlimmer in Zeiten, in denen die Geldpolitik ihre Wirksamkeit praktisch eingebüßt hat, weil selbst sinkende Zinsen oder Nullzinsen die private Investitionstätigkeit nichtmehr anzuregen vermögen. Spätestens dann ist die Geldpolitik auf die Fiskal- und Lohnpolitik als Anker der Gesamtwirtschaft angewiesen. Doch verfehlte Regeln wie die Schuldenbremse oder der Fiskalpakt führen zu einem Ausfall der Fiskalpolitik. Und das weit verbreitete Dogma »Lohnsenkungen verringern Arbeitslosigkeit« verhindert, dass die Lohnpolitik den zwingend notwendigen Gegenpol »Mindestlohn« zustande bringt.
Dann ist auf einmal von den Marktkräften die Rede, gegen die man nicht angehen dürfe, weil man sonst der Marktwirtschaft schade. Das Interesse an gesamtwirtschaftlicher Stabilität, das im Boomfall Inflationsvermeidung durch staatliches Handeln entgegen den Markttendenzen erfordert, wird im Rezessionsfall regelmäßig zum Aufgabenfeld der Märkte selbst erklärt, namentlich des Arbeitsmarktes. Märkte können aber nicht gegen ihre eigenen Tendenzen handeln. Und so wundert es nicht, dass alle »marktmäßigen« Lösungsversuche nicht fruchten und die Arbeitslosigkeit nicht beziehungsweise nur auf dem Papier beseitigen, während Menschen zu Hungerlöhnen arbeiten müssen.
Staatliche Lohnsubventionen sind dann das einzige Zugeständnis, das man den Geringverdienern macht, damit sie nicht verhungern. Wird der Staat für Lohnsubventionen bei Geringqualifizierten herangezogen, ist allerdings der Preis des Produktes, in das die entsprechende Arbeitsleistung eingegangen ist, in Relation zu anderen Produktpreisen, die nicht mittels Lohnzuschuss subventioniert worden sind, verzerrt, nämlich zu niedrig. Der Staat muss obendrein die Mittel zur Subvention von Billigarbeit aus der übrigen Produktion anderer Güter abschöpfen, diese werden dadurch vergleichsweise noch teurer.
Auch das Argument, Produkte, die mit Billigarbeit hergestellt würden, verlören an Nachfrage, sobald ihr Preis etwa wegen der Einführung eines
Weitere Kostenlose Bücher