Irrweg Grundeinkommen
Maschinen und die Produktionsabläufe jedoch höhere Qualifikationen der Erwerbstätigen auf den verschiedensten Gebieten erfordern. Geringerqualifizierte sind daher stets in größerer Gefahr, arbeitslos zu werden oder zu bleiben, als besser Qualifizierte. Auch haben die Besserqualifizierten, wenn sie arbeitslos werden, stets die Möglichkeit, nicht nur in dem Segment des Arbeitsmarktes nach einer Stelle zu suchen, das ihrer Qualifikationentspricht, sondern auch in Segmenten, die eine geringere Qualifikation erfordern. Insofern ist der Druck auf die Geringqualifizierten unter den Arbeitslosen immer am größten, sie haben sozusagen die meiste Konkurrenz am Hals.
Dieses Problem hat aber nichts damit zu tun, dass nicht genügend Arbeit insgesamt zu tun wäre, sondern damit, dass die Qualifikation zu der Art der Arbeit passen muss, die sich entsprechend unseres steigenden Wohlstands weiterentwickelt. Die Antwort auf dieses Problem liegt in der Bildungspolitik und nicht im bedingungslosen Grundeinkommen. Die Bildungspolitik leidet seit langem unter der steuerlichen Auszehrung des Staates insbesondere durch die Unternehmen, die nach jahrelangem Gewinneinkommensboom heute über den zunehmenden Fachkräftemangel klagen und am liebsten gut ausgebildete Fachkräfte aus anderen Nationen »importieren« möchten, für deren Qualifikation sie keinen Cent aus eigener Tasche oder in Form von Steuergeld aufgebracht haben. Auch in Zukunft dürfte es um den Bereich der Bildungspolitik nicht rosig bestellt sein dank der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Auf diese Zusammenhänge gibt das bedingungslose Grundeinkommen keinerlei schlüssige Antwort, vielmehr dürften die Finanzierungsprobleme, die sich dort ergeben, diese Konstellation noch verschärfen.
Neben den nicht ausreichenden öffentlichen Investitionen im Bereich Bildung steht außerdem zu befürchten, dass das bedingungslose Grundeinkommen die Bereitschaft der Privaten, in ihre Bildung oder zumindest in eine starke Spezialisierung ihrer Fähigkeiten selbst zu investieren, abnehmen wird. Die dem bedingungslosen Grundeinkommen innewohnende Tendenz zur Autarkie dürfte es für den einzelnen rationaler erscheinen lassen, seine Fähigkeiten, wenn überhaupt, eher in die Breite als in die Tiefe zu entwickeln. Ist es auf Dauer finanziell vorteilhafter, selbst sein Badezimmer zu fliesen, sein Brot zu backen oder seine PC-Netzwerkkabel zu verlegen, als dafür auf Marktangebote zurückzugreifen, dann kommt ein Allround-Talent vermutlich besser zurecht als ein Spezialist in Sachen Endokrinologie.
Dass das bedingungslose Grundeinkommen Bildungs- und Ausbildungsanstrengungen für junge Menschen vor allem aus bildungsferneren Schichten möglicherweise völlig unattraktiv macht, muss ebenso als negativer Nebeneffekt bedacht werden. Die Erfahrung, dass man ohne Arbeit dank bedingungslosem Grundeinkommen schon einigermaßen existieren kann, lässt keine dringende Notwendigkeit aufkommen, sich um ein gewisses Maß an Bildung zu bemühen, um für sich selbst sorgen zu können.
Produktivitätssteigerungen, Alterung und Klimawandel
Ein weiterer kritischer Aspekt betrifft die Frage, wie unser Pro-Kopf-Wohlstandsniveau trotz rückläufiger Erwerbstätigenzahl und zunehmendem Rentneranteil an der Bevölkerung auf Dauer aufrechterhalten werden kann. Das geht nur durch Produktivitätssteigerungen, wie die vergangenen Jahrzehnte mit ihren dramatischen Rückgängen an Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit eindrücklich vor Augen geführt haben. 21 Denn diese historischen Arbeitszeitverkürzungen pro Kopf dürften in der Summe über alle Erwerbstätigen an den zukünftigen Rückgang der kollektiven Arbeitszeit bei möglicherweise leicht zunehmender Lebensarbeitszeit jedes einzelnen heranreichen oder ihn sogar übertreffen.
Befürchtungen, die Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung seien genau in den Wirtschaftsbereichen sehr begrenzt, die in Zukunft die meisten Beschäftigten benötigten (etwa Dienstleistungen im Bereich der Altenpflege oder Bildung), gehen am Problem vorbei. Denn bei einer vernünftigen Lohnpolitik nehmen alle Beschäftigten mit ihren Einkommen an der durchschnittlichen Produktivitätssteigerung der Gesamtwirtschaft teil. Das heißt, eine solche Lohnpolitik sorgt dafür, dass trotz des zunehmenden Auseinanderfallens von Branchen mit hohen Produktivitätssteigerungen und solchen mit hohen Arbeitsplatzzuwächsen eine Wohlstandssteigerung für alle organisierbar ist.
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