Irrweg Grundeinkommen
Kapitalmarkt angelegt wird und dort über seine den Zins senkende Wirkung die Investitionstätigkeit quasi automatisch anregt.
Nein, das Argument gegen die These, die Gewinneinkommen könnten zu gering ausfallende Lohneinkommen gesamtwirtschaftlich wettmachen, ist, dass die dafür notwendige Steigerung der Gewinneinkommen erst gar nicht in ausreichendem Umfang stattfindet, wenn Lohnzurückhaltung geübt wird. Ursächlich dafürist, dass Gewinneinkommen keine vertragsmäßig vorab vereinbarten Einkommen sind wie die Löhne, sondern eine Residualgröße, die sich erst nach Abschluss und Durchführung der unternehmerischen Geschäfte einstellt. Die Stückkosten einer Produktion mögen zu Beginn einer Wirtschaftsperiode einigermaßen sicher bekannt sein, eventuell auch der Stückgewinn, nicht jedoch der Gewinn insgesamt, denn der hängt von der Anzahl verkaufter Stück ab. Und die lässt sich keineswegs mit Sicherheit prognostizieren.
Mag sich also die Kostensituation dank Lohnzurückhaltung relativ günstig darstellen für die Unternehmer, so müssen sie die Entwicklung ihrer Gewinneinkommen abwarten. Die Gesamtnachfrage ist eben nie von vornherein gegeben. In einer Situation der Unterauslastung oder einer rückläufigen Auslastung, wie sie kennzeichnend ist für Phasen hoher Arbeitslosigkeit und infolgedessen durchgesetzter Lohnzurückhaltung, benötigen Unternehmer positive Absatzsignale, damit sich eine Verbesserung ihrer Stückkostenlage überhaupt in einer Gewinnsteigerung niederschlagen kann. Genau diese positiven Absatzsignale bleiben jedoch aus. Denn die Nachfrage, die zum überwiegenden Teil auf den Lohneinkommen und, weiter gefasst, auf den Masseneinkommen beruht, läuft wegen der Lohnzurückhaltung schlechter, als es der Ausweitung der Produktion durch Produktivitätssteigerung bei gleichbleibender Beschäftigung entspräche. Ein Anreiz, die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden insgesamt spürbar auszudehnen oder gar mehr Arbeitsplätze zu schaffen, fehlt. Am Ende der Wirtschaftsperiode stellen die Unternehmer dann fest, dass sich ihre Gewinneinkommen insgesamt nicht so stark verbessert haben, wie es der günstigeren Stückkostensituation entsprochen hätte. Stattdessen können sie die lohnbedingt lahmende (Binnen-)Nachfrage mit dem gleichen Personalbestand oder sogar mit weniger Beschäftigten bequem bewältigen. Die für die Gesamtwirtschaft erwartete Beschäftigungssteigerung dank Lohnzurückhaltung fällt erst einmal aus. Sie ist aber Voraussetzung dafür, dass die Lohnzurückhaltung in dem Sinnefunktioniert, dass sie die Gesamtwirtschaft nicht unmittelbar in einen Nachfragemangel stürzt. Denn der hat ja wieder zur Folge, dass die Arbeitslosigkeit steigt oder zumindest nicht abgebaut werden kann.
Doch statt sich über diesen Wirkungsmechanismus Gedanken zu machen und den logischen Trugschluss zu erkennen – dass das, was die Lohnzurückhaltung bewirken soll, nämlich mehr Beschäftigung, nicht Folge, sondern Voraussetzung für das Funktionieren dieser Strategie ist –, wird die kurzfristige Erfolglosigkeit der Strategie dahingehend interpretiert, es sei eben noch nicht genügend Zurückhaltung bei der Lohnentwicklung geübt worden und/oder die Unternehmer trauten dem »Frieden an der Lohnfront« noch nicht, sie müssten erst über mehrere Jahre hinweg von der Einsichtigkeit der Arbeitnehmerseite bei den Lohnverhandlungen überzeugt werden, bevor sie sich tatsächlich an eine Kapazitätsausweitung wagten Diese Denkweise läuft darauf hinaus, dass man dem Patienten eine immer höhere Dosis derselben Medizin verordnet, ohne ihre kontraproduktive Wirkung auch nur als Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
Wer dennoch Zweifel äußert, dem wird das zweite oben genannte Argument entgegengehalten: Eine stärkere, das heißt strikt an der Produktivität orientierte Entwicklung der Reallöhne hätte auf Dauer eine schlechtere Arbeitsmarktentwicklung nach sich gezogen als die, die man durch Lohnzurückhaltung erreicht habe. Dass die beiden oben genannten Phasen von 1960 bis 1974, in denen es sich empirisch exakt andersherum verhielt, also der Reallohn schneller wuchs als die Produktivität, mit einer außerordentlich guten Arbeitsmarktsituation einhergingen, wird als Widerlegung der These ignoriert. Schließlich sei im Zeitalter der Globalisierung nichts mehr so wie in den guten alten Zeiten vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, und daher könnten alle empirischen Vergleiche mit damals zu keinen hilfreichen
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