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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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stagnierten.
    Dann aber zogen die Investitionen innerhalb von drei Jahren um über 20 Prozent an, und endlich begann die Zahl der Arbeitslosen zu sinken. Der Knoten schien geplatzt zu sein und die jahrelange Enthaltsamkeit der Arbeitnehmer endlich zu fruchten. Die Finanzkrise, die 2008 ins Rollen kam, setzte dem Boom ein jähes Ende und hinterließ ihre unverkennbaren Bremsspuren: 2009 brach die Investitionstätigkeit um über 20 Prozent ein. Aber anschließend nahm sie innerhalb kürzester Zeit wieder Fahrt auf, und das verlorene Terrain konnte bis heute, 2012, fast wieder wettgemacht werden. Ende 2012 werden gemäß der Prognose der EU-Kommission nur noch wenige Prozentpunkte gegenüber dem Niveau fehlen, das die Investitionen in der Spitze 2008 erreichten.
    Dass die Investitionen trotz dieser bemerkenswerten Entwicklung bislang bei weitem nicht ihre Bedeutung wie in den 1960er Jahre zurückerhalten haben, gerät da leicht in Vergessenheit. Abbildung 11 veranschaulicht das.
    Abbildung 11: Finanzierungssaldo des Unternehmenssektors und Investitionen in Deutschland

    Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Abgrenzung teilweise abweichend von ESA95, Stand: 1991; AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012), Werte 2012: Prognose der EU-Kommission
    Hier ist der Anteil, den Ausrüstungs- und Wirtschaftsbauinvestitionen am gesamten Bruttoinlandsprodukt haben, mit der Linie dargestellt, die kleine Symbolpunkte enthält. Die Werte sind auf der rechten Skala abzulesen. Seit den 1980er Jahren bewegt sich diese Quote – mit einer kurzen Ausnahme während der deutschen Wiedervereinigung – in einer Bandbreite zwischen elf und zwölf Prozent. Bis Mitte der 1970er Jahre schwankte der Anteil noch zwischen 13 und 15 Prozent.
    Eine Art Spiegelbild dazu bildet der Finanzierungssaldo des Unternehmenssektors in Prozent des Bruttonationalprodukts (BNP), dessen Werte die linke Skala enthält. Dieser Saldo stellt die Nettoneuverschuldung des Sektors bei den übrigen drei Sektoren einer Volkswirtschaft – das sind die privaten Haushalte, der Staat und das Ausland – dar, zeigt also an, welchen Anteil des erwirtschaftetenEinkommens die Unternehmen den anderen Sektoren (in der Regel den privaten Haushalten) neu schulden 49 .
    Unabhängig von dem sichtbaren statistischen Bruch, den die Abgrenzungsänderung zur Folge hat und der sich im wesentlichen als Niveauverschiebung herausstellt, lässt sich der Abbildung entnehmen, dass der Finanzierungssaldo des Unternehmenssektors – bei großen Schwankungen – tendenziell gestiegen und in den letzten zehn Jahren deutlich in die Pluszone geraten ist. Das heißt, die Unternehmen sind zu Nettosparern geworden. Außerdem schwankt der Saldo entgegengesetzt zur Investitionsquote: Immer wenn der Anteil der Investitionstätigkeit in der Gesamtwirtschaft zunimmt, verschuldet sich der Unternehmenssektor stärker. Naheliegende Erklärung: Er verschuldet sich offenbar für die Finanzierung der Investitionen. Das passt auch zu den Trends von Investitionsquote und Finanzierungssaldo: Je kleiner die Investitionsquote, desto weniger negativ der Finanzierungssaldo.
    Der Rückgriff auf den Finanzierungssaldo des Unternehmenssektors ist dem Umstand geschuldet, dass es keine Daten für die Entwicklung der Gewinneinkommen aus den 1960er und 1970er Jahren gibt. Zwar stehen beide Größen in keinem unmittelbaren statistischen Zusammenhang, dafür aber in einem inhaltlichen: Gewinneinkommen sind Einkommen der Selbständigen und Vermögenseinkommen, die (nach Abzug geleisteter Transfers) dem Sektor der privaten Haushalte zufließen. Dort bilden sie zusammen mit den Masseneinkommen das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. Die Gewinneinkommen werden also dem Unternehmenssektor als unmittelbare Finanzierungsquelle zum Beispiel für Investitionen entzogen. Natürlich kann sich der Unternehmenssektor über Verschuldung die Mittel für seine Investitionstätigkeit sozusagen von außen organisieren, das heißt, auch bei steigenden Gewinneinkommen kann der Finanzierungssaldo negativer werden und die Investitionsdynamik zunehmen. Aber es ist, empirisch betrachtet, seltener der Fall (vgl. dazu auch Abbildung 12). Umgekehrt gilt: Lässt die Investitionstätigkeit nach, absorbieren die Unternehmen aus alten Investitionsprojektenanfallende Gewinne weniger und schütten sie eher als Gewinneinkommen aus. Insofern stimmt die Entwicklung von Gewinneinkommen und Finanzierungssaldo des Unternehmenssektors zumindest in groben Zügen

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