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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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der Kapazitäten und damit ein positives Investitionsklima zu erreichen, muss die Gesamtnachfrage mit der Produktivitätsentwicklung mindestens Schritt halten, besser noch: sie übertreffen.
    Lohnsumme und Produktivität
    Steigen die Einkommen langsamer als die Produktivität, fehlt es der Volkswirtschaft an genügend Nachfrage nach dem potentiellen Mehr an Gütern und Dienstleistungen, das durch die Produktivitätszunahme hergestellt werden kann. Das gilt nur dann nicht, wenn sich die Sparwünsche der privaten Haushalte ändern, nämlich abnehmen, oder wenn das Ausland mit steigender Nachfrage die Lücke bei der inländischen Nachfrage füllt oder wenn freiwillig mehr Freizeit nachgefragt wird (was bei Massenarbeitslosigkeit für große Teile der Erwerbsbevölkerung nicht der Fall sein dürfte).
    Halten die Einkommen nicht Schritt mit der Produktivität und bleiben die Spar- und Freizeitwünsche der privaten Haushalte beziehungsweise die Nachfrage des Auslands gleich, treten durch Produktivitätssteigerungen auf Dauer Überkapazitäten auf, die den Investitionsgütersektor negativ treffen, so dass die Konjunktur tendenziell schlechter läuft oder sogar abgewürgt wird. Dann entstehen nicht nur weniger neue Arbeitsplätze, als durch dieLohnzurückhaltung erhofft wurden, sondern die vorhandenen sind möglicherweise sogar gefährdet. Ob sich Lohnzurückhaltung lohnt, kann also nicht allein anhand der absoluten Zunahme der geleisteten Arbeitsstunden festgestellt werden. Die Arbeitsstunden hätten ja ebenso gut bei einer strikt an der Produktivität orientierten Lohnentwicklung zunehmen können, weil die von vornherein mit keinem systematischen Auslastungsproblem mangels Binnennachfrage konfrontiert ist. Der eigentliche Härtetest liegt also im Vergleich der Lohnsummenentwicklung mit der Produktivitätsentwicklung.
    Und da schneidet die Lohnzurückhaltung empirisch schlecht ab. In zwei der drei Lohnzurückhaltungsphasen, nämlich in den 1990er und in den 2000er Jahren, hinkt das Lohnsummenwachstum mit 0,9 beziehungsweise 0,8 Prozentpunkten jährlich hinter der Produktivitätszunahme hinterher. In den zwei Zeitabschnitten, in denen der reale Stundenlohn der Produktivität erheblich vorausgeeilt ist (1960er bis Mitte der 1970er Jahre), ist die Lohnsumme erheblich besser gelaufen als die Produktivität. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden wie die der Beschäftigten stieg. Das heißt, in dieser Zeit hat der Arbeitsmarkt auf die gute Bezahlung pro Stunde positiv reagiert. Dagegen hat sich in den Zeiten starker Lohnzurückhaltung der Verzicht der Beschäftigten auf reale Stundenlohnsteigerungen, die der Produktivitätszunahme gleich gewesen wären, offenbar nicht so ausgezahlt wie erhofft und wie von Seiten der Wirtschaftswissenschaftler, allen voran des Sachverständigenrates, immer wieder versprochen beziehungsweise vorausgesagt wurde. Die Beschäftigungszunahme (sofern es überhaupt eine gab) konnte die durch Lohnzurückhaltung geringer ausfallende Steigerung der Lohnsumme im Vergleich zu einer strikt produktivitätsorientierten Lohnentwicklung nicht wettmachen.
    Der Lohn und der private Konsum
    Wird also die Bedeutung des Lohns als Einkommensgrundlage für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage –, allem voran für denprivaten Konsum – zu gering veranschlagt im Vergleich zu seinem Gewicht als »belastender« Kostenfaktor? Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich den Zusammenhang zwischen privatem Verbrauch und verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte einerseits und die Zusammensetzung dieses verfügbaren Einkommens andererseits ansehen.
    Abbildung 8 zeigt eindrucksvoll, wie stark die Wachstumsraten von realem privaten Konsum und realem verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte korrelieren. 45 Beide Größen schwanken in großer Übereinstimmung. Das heißt, dass die privaten Haushalte ihr Sparverhalten auf Dauer nicht stark verändern. Rückgänge im verfügbaren Einkommen werden also kaum durch
    Abbildung 8: Konsum und verfügbare Einkommen in Deutschland

    Quellen: Statistisches Bundesamt; AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012), Werte für 2012: Prognose der EU-Kommission
    Senkung der Sparquote ausgeglichen, sondern schlagen fast eins zu eins auf das Konsumverhalten durch. Das ist deshalb für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung von nicht zu unterschätzender Bedeutung, weil der private Verbrauch mit rund 56 Prozentnach wie vor die größte Nachfragekomponente des Bruttoinlandsprodukts darstellt.

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