Irrweg Grundeinkommen
Doch hängt in keinem anderen Land der Welt der Bildungserfolg von Kindern so stark von Einkommen und Bildung der Eltern ab wie in Deutschland, dessen Schulsystem offenbar nicht in der Lage ist, gute Lernergebnisse unabhängig von der sozialen Herkunft zu generieren (Allmendinger/Helbig 2008).
Beispielsweise sind Ganztagsschulen in vielen EU-Ländern der Normalfall, in Deutschland besteht hingegen ein eklatanter Mangel, der darauf hindeutet, dass zu wenig Geld in den Ausbau investiertwird. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der frühkindlichen Erziehung beziehungsweise Betreuung. Erst sehr spät hat sich hierzulande die Erkenntnis durchgesetzt, dass die institutionalisierte Kinderbetreuung eine wichtige Rolle für die Integration, Sozialisation und Ausbildung von Kindern und damit für die Ausprägung von Humankapital spielt. Zudem können Eltern am Erwerbsleben teilnehmen oder vermeiden, aus der Erwerbstätigkeit auszusteigen; dies kommt auch den Unternehmen zugute. Langfristig können Einsparungen bei der Migrantenintegration, im Sonderschulbereich oder auch bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität erzielt werden. Auch wenn in den vergangenen Jahren vermehrt Anstrengungen unternommen worden sind, die frühkindliche Betreuung auszubauen, bestehen noch gewaltige Defizite. Diese Defizite aber können nicht behoben werden, weil der Staat die Prioritäten anders setzt, auch wenn die Bedeutung von Bildung und Ausbildung für die wirtschaftliche Entwicklung allseits hervorgehoben wird. In der politischen Güterabwägung haben Steuersenkungen bisher die Oberhand behalten.
Einkommen- versus Konsumbesteuerung
Das deutsche Steuersystem stützt sich zum einen auf die Leistungsfähigkeit der Steuerbürger, indem das Einkommen Besteuerungsobjekt ist. Die Bürger werden ohne Rücksicht auf die Konsumption öffentlicher Güter zu deren Finanzierung herangezogen, und zwar mit steigendem Einkommen überproportional. Der progressive Einkommensteuertarif wird im Prinzip »opfertheoretisch« begründet. Als Maßstab soll der durch die Besteuerung entgangene Nutzen dienen. Dieser sollte bei jedem Individuum etwa gleich hoch sein, was heißt, dass jeder durch die Besteuerung – in Relation zu seinem Einkommen – das gleiche Opfer erleiden soll. Nur das Existenzminimum ist steuerlich freigestellt. In Deutschland wurde die Progression im Zuge der großen Umverteilung nach und nach abgeflacht, und die gesamte Einkommensteuerbelastung wurde gesenkt. Im Vergleichzu den 1960er Jahren hat sich der Grundfreibetrag verzehnfacht und der Spitzensteuersatz, der seinerzeit bei 53 Prozent lag, wurde (ohne die sogenannte »Reichensteuer«) auf 42 Prozent gesenkt.
Die andere Säule des Steuersystems ist die Konsumbesteuerung . Im Gegensatz zur Einkommensteuer ist die Besteuerung des Konsums als Proportionalsteuer konzipiert. Mit dem Vordringen des neoklassischen »angebotspolitischen« Denkens wurde verstärkt über eine »konsumorientierte Neuorientierung« des Steuersystems diskutiert. Im Gegensatz zum Konsum würde die Investition von der Besteuerung weitgehend freigestellt, so dass die Besteuerung erst am Ende des Wertschöpfungsprozesses greift. Aus dieser Umorientierung erwartete man Wohlfahrts- und Einkommensgewinne, weil man unterstellte, Investitionen würden weitgehend unabhängig vom Konsum durchgeführt.
Tatsächlich spielen im deutschen Steuersystem die Steuern vom Umsatz, von ihrer quantitativen Bedeutung her gesehen, inzwischen eine fast ebenso große Rolle wie die Einkommensteuern. 63 Die Anhebung der Mehrwertsteuer ist ein von der Politik gern genutztes Mittel zur Erschließung zusätzlicher Einnahmen, denn die Erhöhung wird im Gegensatz zur Einkommensteuer nur mittelbar wahrgenommen, nämlich über höhere Preise, die einzelne Einkommensgruppen sehr unterschiedlich treffen. Bei der Besteuerung kommen unterschiedliche Steuersätze zur Anwendung: Güter, die nicht besteuert werden wie zum Beispiel Mieten; Güter, die einem ermäßigten Satz (derzeit sieben Prozent) unterliegen wie zum Beispiel Lebensmittel; und schließlich alle Güter, die dem Regelsatz von aktuell 19 Prozent unterworfen sind. Dennoch ist die Verteilungswirkung dieser Steuern nicht »neutral«, sondern regressiv, da die durchschnittliche Konsumquote der privaten Haushalte mit steigendem Einkommen sinkt. Die regressive Wirkung wird allerdings gemildert, wenn, wie das einige Male geschehen ist, zwar der Normalsteuersatz angehoben, der gemäßigte Steuersatz für
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