Irsud
veränderte, das Wissen in ihrem Körper, das viel tiefer lag als das Bewußtsein, das Zeitzentrum in ihrem Verstand, das die vergehenden Herzschläge zählte, die tausend und aber tausend Herzschläge, die seither vergangen waren … es stumpfte die Heftigkeit ihres Kummers ab. Sie seufzte und öffnete die Augen. „Was ist passiert?”
„Kunniakas?”
„In der Siedlung. Damals.”
„Die Kipu überfiel die Siedlung, brachte ihre Gleiter heimlich herunter, in der Dunkelheit, bevor die Sonne erwachte. Als wir aufwachten, waren die Hyonteinens überall um uns her. Wir schauten in die Mündungen dieser Energiewaffen und konnten nichts tun. Die Kipu trieb die Kinder in den Gleitern zusammen, ließ sie als Geiseln wegschaffen, verhörte den Rest, die Frauen, alte Männer. Sie setzten uns unter Drogen, damit wir alles ausplapperten, aber ich bezweifle, daß sie viel herausbekam, zumindest war das, was ich hörte, beabsichtigte Lüge … Burash … Sie fand ihn, schlug ihn … setzte ihn unter Drogen; er sagte ihr nichts, nicht einmal unter dem Einfluß der Drogen, er schrie, er weinte, nicht wie ein Mann, nicht wie einer unserer Männer, aber er sagte ihr überhaupt nichts, er wollte deinen Namen nicht aussprechen, er schrie ihr seinen Schmerz ins Gesicht und trotzte ihr sogar mit seinem Schreien, und so ließ sie ihn ausruhen. Ich nehme an, sie dachte, er sei schlimmer verletzt, als er tatsächlich war, total eingeschüchtert, aber als du auf dem Pferd ins Dorf hereingeritten kamst und die Kipu dich sah, vergaß sie ihn, mich. Ich war auch da, zwang mich, zuzusehen.” Aamunkoitta schluckte, ihr kleines Gesicht schamerfüllt. „Ich habe dir versprochen, er wäre sicher, Kunniakas, ich habe mein Wort gegeben …”
„Du kannst nichts dafür, Kätzchen.” Der Klang des Kosenamens, den Aleytys für sie gebrauchte, ließ die Hiiri aufschluchzen.
Sie ergriff Aleytys` Hand und preßte sie an ihr Gesicht.
„Du kamst allein hereingeritten”, murmelte sie. „Er… er hatte seine Hände freibekommen. Sie haben dich beobachtet, konnten ihre Blicke nicht von dir nehmen. Selbst als du schon in ihrer Falle warst, als sich diese Falle - ohne daß du dies wußtest -um dich schloß, haben sie in ihrer Angst vor dir gezittert. Ich habe innerlich gelacht, als ich das sah. Burash hat keine Zeit mit Schadenfreude verschwendet. Irgendwie befreite er seine Hände. Er riß die Stricke von seinen Beinen. Er rannte hinaus, um dich zu warnen.”
„Und Sukall hat ihn erschossen.”
„Ja.”
„Wie bist du entkommen?”
„Sie haben mich nicht bewacht. Sie eilten zu dir hinaus und ließen mich allein. Ich kam frei und rannte zu den Bäumen. Ich vermute, daß ich schon zu weit weg war, als sich die Kipu an mich erinnert und jemanden hinter mir hergeschickt hat. Jedenfalls -ich habe ein paar Gleiter gesehen, aber niemand hat mich belästigt.”
„Und während ich hier lag?” Aleytys zupfte mit bebenden Fingern an der Decke. „Was hast du getan? Wie hast du …”
„Wie ich gelebt habe?” Aamunkoitta starrte auf ihre Hände hinunter. „Ich kam zu Nakivas. Nun.” Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich habe gelebt. Es war schwer.”
„Ich verstehe. Und schließlich bist du zu mir gekommen.
Warum?”
„Ich … ich konnte dich nicht in den Händen der Kipu lassen. Ich zankte mich mit Nakivas, stritt mit ihm, bis er mich aus dem Lager davongejagt hat.”
Aleytys fühlte die stille Verzweiflung in ihrem kleinen Körper.
„Du hast meinen Dank, sofern das etwas wert ist. Aber warum?”
„Ich mußte es tun. Vielleicht ist Burashs Geist ruhelos, will mich nicht ruhen lassen, vielleicht haben mich die Henkiolentomaan gezwungen, dir zu dienen.”
„Sag das nicht!”
„Huh?”
„Ich dachte, es würde nur auf Männer wirken. O Gott. Nein, Kätzchen. Ich bin diejenige, ich bin es, die dir dies antut. Auch wenn ich es selbst nicht will. Irgend etwas ist in mir, das Leute an mich bindet.” Sie schüttelte den Kopf. „Ich mag dich, Kätzchen. Ich will keine Sklavin. Du kannst ohne mich ein gutes Leben führen.”
Aamunkoitta hob den Kopf und lächelte. „Ich stehe also unter dem Zwang, dir zu dienen. Wo du hingehst, gehe ich hin. Oder ich sterbe. Ich spüre es bis in meine Knochen hinein. Ich kenne es wie den Atem, der in mich hinein- und wieder aus mir herausgeht.”
„Nun, es hat keinen Zweck, jetzt darüber zu diskutieren.” Aleytys stieß gegen das Bett, schob ihren teilnahmslosen Körper in eine sitzende Position.
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