Irsud
Trab, umrundete die Kurve. Nichts an der ruhigen Szene gab ihr irgend einen Grund für dieses Gefühl. In den Hütten aus Holz und Leder war es still. Zu still. Sie spornte das Pferd zu einem Trab an und ritt zum Zentrum der versteckten Siedlung.
Eine weibliche Hiiri, eine, die sie nicht erkannte, hielt nach ihr Ausschau.
„Wo sind sie alle?” rief Aleytys ungeduldig.
Die Hiiri blickte sich um, dann zuckte sie mit den Schultern.
„Wir bereiten uns vor”, sagte sie finster.
Aleytys starrte in die Runde. Das Gefühl der Gefahr war bedrückend wie die schwüle Luft vor einem zu lange verzögerten Sturm. Die Hiiri strahlte Furcht und Zorn in verwirrender Mischung aus. „Warum bist du böse auf mich?”
Die Hiiri schüttelte den Kopf, die Blicke auf die Zehen geheftet.
Aleytys hob die Zügel, drehte sich um, starrte geradeaus, weiter in das Dorf hinein, hielt nach einem zugänglicheren Individuum Ausschau.
Hinter sich hörte sie ein plötzliches, stampfendes, scharrendes Geräusch. Sie riß ihr Pferd herum.
Burash hetzte um die Ecke einer der Hütten. „Flieh”, kreischte er. „Verschw …”
Ein breiter Kegel aus strahlendem, rotorangenem Licht flakkerte auf. Den zeitlosen Bruchteil einer Sekunde lang war Bu-rashs Körper schmerzverzerrt, die Lippen formten einen stummen Schrei
… eine Sekunde lang war er eine schwarze Silhouette vor dem strahlenden, roten Lichtring des Energiegewehrs. Dann war der Gestank von verbranntem Fleisch in ihrer Nase, die schwarze Silhouette löste sich zu einer Handvoll sanft schwebender Asche auf, die langsam, quälend langsam zu Boden fiel, der Gestank war verschwunden, die Luft rein, grün, kühl.
Aleytys glitt vom Pferd. Glitt vom Pferd und stolperte ein halbes Dutzend Schritte weit voran. Stolperte ein paar Schritte weit, wobei die Knie nachzugeben drohten, stöhnte, war sich dieses Lauts gar nicht bewußt. Sie stolperte durch einen Morast von Schmerz und Unglauben, erreichte die verkohlte Erde und kniete nieder. Kniete neben der verbrannten Erde und berührte den Schleier feiner, grauer Asche, den entsetzlich furchtbar winzigen Rest einer ganzen Person. Sie streckte eine zitternde Hand aus, zog sie zurück, streckte sie wieder aus. Berührte die Asche; Schluchzer schüttelten ihren Körper. Berührte die Asche, spürte Verlust und Wut durch sie tosen. Warum, warum, warum, ihr, ihr verdammten Begleiter, warum habt ihr nichts getan, irgend etwas getan, irgend etwas, irgend etwas. Ihr sitzt in meinem Schädel, und ihr tut nichts, nichts, nichts, ni …
Sie fiel mit dem Gesicht nach unten in den Staub, stürzte in eine Finsternis, die sie umhüllte, sie schützte, den Schmerz, Schmerz, Schmerz unterband …
Eine grobe Hand packte ihr Haar und riß ihren Kopf hoch. Grinsend ohrfeigte Sukall sie aus der Schwärze heraus, zwang sie ans Licht zurück, an dieses schreckliche Licht. Und strahlte ein übles, gewaltiges Vergnügen am Schlagen aus.
Benommen starrte Aleytys Sukall an, das Begreifen kroch durch ihr Gehirn: Die Metallwaffe, die am Gürtel der Nayid schaukelte, war für die Asche verantwortlich, die ihren Körper, ihr schmerzendes Gesicht überzog. Sie starrte Sukall an, dann an ihr vorbei, in das gelassene, kalte Gesicht der Kipu.
„Sukall”, sagte die Kipu leise, „genug. Denkt daran, was sie trägt.”
Sukalls Finger krallten sich um Aleytys’ Hals zusammen, dann lockerte sich der Griff. „Was soll ich mit ihr machen?”
„Betäuben.” Die Kipu kam näher, ragte wie eine böse, unheilvolle Wolke über Aleytys empor. „Und zwar schnell, Sabut.”
Eine schwarze Wolke blähte und blähte sich in Aleytys auf, an den Schläfen pochte schmerzhaft eine Ader. Sie blickte zuerst auf Sukall, dann auf die Kipu, auf Sukall, auf die Kipu, die Wut wuchs, wuchs, wuchs, sie wurde von dieser Wut verzehrt, sie öffnete den Mund, ein Schrei entfuhr ihr, sie …
Ein kalter Metallring berührte ihren Hals. Als sich die Wut zu einer Explosion formte, die in Sukalls Richtung ausbrach, reißend, zerstörend, eine Explosion, die den Haß, die Wut mit sich trug
Haß und Wut, alles, was sie noch in sich hatte … Ein kalter Ring berührte ihren Hals, und ihr Körper entkrampfte sich, wurde kalt, und sie glitt unter dem Stoß davon, den sie auf Sukall zielte, wurde in eine Finsternis gespült, die allen Kummer wegwischte, allen Zorn, alles Entsetzen, alles …
26
Schwach, fern, verschwommen, festigte sich ein langsames Existenzbewußtsein aus dem grau-schwarzen Dunst
Weitere Kostenlose Bücher