Irsud
Purpur wieder um sie herum leuchtete, steuerte Aleytys, ohne genau zu wissen, warum, den Gleiter tiefer hinunter, bis er kaum zwei Meter über dem Boden war, und jagte ihn so schnell sie konnte nach Südosten, wo die flache und fruchtbare Ebene in eine sanft gewellte, üppig mit Bäumen bewachsene Hügellandschaft, durchzogen von felsigen Schluchten auseinanderbrach.
28
Aleytys beobachtete, wie das getarnte Schmugglerschiff durch den Wölbmantel der Nacht herunterglitt und mit einem Minimum an Aufruhr auf dem Canyonboden aufsetzte. „Da ist er“, sagte sie ruhig. „Wach auf, Kätzchen.“
„Ich bin wach.“ Die Hiiri setzte sich auf.
„Ich habe meine Meinung nicht geändert, das weißt du.“
Aamunkoitta breitete ihre Hände auf den Oberschenkeln aus. „Mein Volk ist tot. Du bist jetzt meine Sippe.“
„Nakivas?“
„Hat viele Frauen, die ihm nachlaufen. Ich würde in der Menge verlorengehen. Du weißt, wie es um mich steht.“ Ihre Augen schlossen sich, ihr Gesicht verkrampfte sich unter dem in ihr schwelenden Schmerz. „Ich bin nicht geeignet für …“
„Kätzchen, nicht.“
Sie rieb die Hände an den Oberschenkeln auf und ab. „Ich laufe vor der Wahrheit nicht davon, Kunniakas. Ich könnte jetzt nicht mehr das Leben einer Sippenfrau führen, zu viele Dinge sind mit mir passiert, haben mich verändert.“ Sie schüttelte den Kopf. „Außerdem …“ Ein plötzliches Lächeln verjagte die Trübsal aus ihrem Gesicht. „Du hast mir gezeigt, daß Frauen mehr sein können als nur Arbeitstier für Männer. Es gibt keinen Platz auf dieser Welt, in den ich mich einpassen will. Laß mich mit dir kommen.“
„Kätzchen …“
„Du bist eine Mächtige, Kunniakas. Du brauchst jemanden, der dir dient. Laß mich dies tun.“
Aleytys schüttelte den Kopf. „Obwohl der Mahazh nicht mehr existiert, halten die Nayids das Land nach wie vor unter ihrer Regentschaft, aber dein Volk hat jetzt eine Chance. Freundet euch mit ihnen an oder vertreibt sie, nehmt euch euer Land zurück. Du hast hier immer noch Arbeit, Kätzchen. Außerdem: Lehre die anderen Frauen, was du gelernt hast.“ Aleytys lachte in sich hinein. „Du könntest eine weitere Revolution auf dieser gefährlichen Welt in Gang bringen.“
„Du willst mich nicht.“
Mit einem müden Seufzer zog Aleytys die Beine unter sich und stand auf. „Ich will dich nicht verletzt sehen. Oder getötet. Ich bin nicht so dumm anzunehmen, daß du hier ein leichtes Leben haben wirst. Aber wenigstens wirst du unter deinesgleichen sein, mit einer wichtigen Aufgabe. Es wird dir erbärmlich gehen, aber du wirst am Leben sein.“
„Am Leben.“
„Mach es nicht schlecht.“
Aamunkoitta zuckte mit den Schultern. „Besser, du machst dich bereit. Das Schiff. Es kommt jemand.“
„Warte hier mit der Kiste.“
„Die Henkiolentomaan mögen dich stärken, Kunniakas.“
Aleytys lachte und ging dem langhaarigen Schmuggler entgegen, ein Lächeln erhellte ihr Gesicht. Sie begegnete seinem überraschten Blick und murmelte: „Aspash, Phorea.“
„Aspash, Despina. Du sprichst also Interlingua.“ Er musterte sie mit amüsiertem, sardonischem Blick von Kopf bis Fuß. Dann blickte er an ihr vorbei auf das Felsengewirr auf der anderen Seite des Baches. „Wo sind deine Freunde?“
„Sie werden bald da sein.“ Sie zeigte zu dem Schiff hinüber. „Und deine Begleiter?“
„Beschäftigt. Du bist früh dran.“
„Ich will eine Passage, weg von dieser Welt.“
„Oh?“ Sein lebhafter Mund verbreiterte sich zu einem Lächeln, wobei weiße Zähne im Kontrast zu seiner dunkel gebräunten Haut glitzerten. „Warum sollte ich mir Scherereien einhandeln?“ Er nickte dem Schiff zu. „Das ist kein Passagierkreuzer.“
„Profit.“ Sie erwiderte sein Lächeln. „Die beste Salbe gegen Unbehagen.“
„Sie werden deine Passage bezahlen?“
„Die Hiiri?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe ein paar Spielsachen, die du vielleicht ganz interessant finden wirst.“
„Sehen wir sie uns an, und ich werde es dich wissen lassen.“
Aleytys sah ihn schweigend an. „Du bist ein einigermaßen ehrbarer Mann“, sagte sie nach einer Weile. „Aber nicht mein Freund.
Ich habe vor einiger Zeit gelernt, daß sich Vertrauen nicht auszahlt, wenn man nicht die Kraft hat, das Einhalten des Handels zu erzwingen.“
„Nundenn.“ Er verschränkte die Arme über seinem Brustkorb. „Wie wirst du mit diesem kleinen Problem fertig?“
„Wenn ich eine Waffe hätte …“
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