Irsud
Bett, nur ein paar Fuß entfernt.
Aleytys wickelte das Handtuch um ihr feuchtes Haar. Sie blickte sich um. „Ich wüßte gern, ob es in diesem Gefängnis noch etwas zum Anziehen gibt.“
Aamunkoitta zuckte mit den Schultern. Sie stand auf. „Warum gehst du nicht weg?“ flüsterte sie. „Es sind jetzt keine Wachen mehr dort draußen.“
Aleytys lächelte. „Nein“, sagte sie leise. „Nein, ich habe hier noch viele Dinge zu erledigen.“ Sie bewegte sich an der Wand entlang, fetzte dann wieder einen Behang zur Seite.
In der Kleiderkammer waren die Regale und Haken bis auf eine Ausnahme leer. Ordentlich gefaltet, von einer feinen Staubschicht bedeckt, lag der weiße Lederanzug von den Hiiri da, wartete auf sie. Sie schüttelte ihn aus. Bevor anonyme Hände die Kleidungsstücke weggelegt hatten, waren der Schmutz und das Blut beseitigt worden; nur ein paar schwache, fast unsichtbare Flecken waren zurückgeblieben. Das Leder roch ein wenig muffig. Aleytys kräuselte die Nase.
Plötzlich überflutete sie die Erinnerung an jenen Tag, an dem sie diese Kleidungsstücke das letzte Mal getragen hatte, sie sah das rote Auflodern, die schwarze, schreiende Silhouette.
Sie glaubte, weinen zu müssen. Ihre Augen brannten. Nein. Keine Tränen mehr übrig, nur ein übles Gefühl in ihrem Magen, eine einsame Kälte, die in ihrem Mund einen bitteren Geschmack hinterließ. Sie schloß die Augen und lehnte sich einen Moment lang gegen die Wand, bis dieser schlimme Augenblick verging.
Sie fixierte ihren Verstand auf den Augenblick, glitt von der verwirrenden Erinnerung weg, schlüpfte in die tief gefranste Jacke, die weichen, geschmeidigen Beinkleider, die Mokassin-Stiefel; schwerfällig verließ sie den Raum, wobei sie das Licht sorgfältig mit der Handfläche ausmachte, sorgfältig den Gobelin vor den Bogendurchgang zog und die Falten in strenges symmetrisches Plissee ordnete.
Sie schritt steif durch den Raum zu der Tür in der Glaswand und berührte das milchige Quadrat, das sie öffnete. Als sie über die Schulter zurücksah, dehnte sie den Mund zu einer kurzen Karikatur eines Lächelns. „Komm“, sagte sie leise.
Aleytys hielt sich im Schatten, umging die offene Grasfläche des Gartens. Am Bach zögerte sie einen Herzschlag lang, dann sprang sie von Stein zu Stein und war mit zwei Schritten auf dem Gras auf der anderen Seite. Sie streckte die Hand aus, berührte den glatten, kühlen Bambusstab. Er bog sich mit einer federnden Elastizität, die ihr Beschäftigtsein mit sich selbst durchdrang, sie ins Hier und Jetzt zurückriß, in die unmittelbare und gefährliche Gegenwart.
„Warum hältst du an?“ Aamunkoittas warmer Körper preßte sich an sie. Ihr Flüstern war kaum lauter als die raschelnden Blätter. „Geh weiter – du weißt, wohin.“
„Still, Kätzchen.“ Sie atmete tief durch. „Nein. Ich bin aus einem anderen Grund hierhergekommen. Warte einen Augenblick.“
Aleytys hob den Blick und suchte die Klippenwand ab. Sie fand den haarfeinen Riß, schloß dann die Finger fest um ein dickes Bambusrohr, schloß die Augen. Eine Zeit, lange, lange genug, um ihr Herz in Panik hämmern und ihren Magen sich schmerzhaft zusammenkrampfen zu lassen, geschah nichts. Dann kehrte das augenlose Sehen knarrend zurück.
Mit Staub beschichtet und mit Regenflecken bespritzt, kleine Blätter auf den Griff geklebt, lag die Energiepistole in ihrem Versteck und wartete noch immer auf sie. Wenn sie sie herunterbekommen könnte … Sie versuchte zuzugreifen, die Geistfinger hinaufzuprojizieren, die Waffe damit zu ergreifen. Wieder knirschte ihr Geist, da er so lange nicht gebraucht worden war. Sie tastete nach der Pistole. „Ah“, keuchte sie, „komm … komm schon …“
Ihre Beine begannen zu zittern, und sie glitt zu Boden, hielt sich an dem Bambus fest, bis sie auf dem Gras kniete. „Komm her zu mir“, flüsterte sie.
Die Minuten schleppten sich vorbei. Schweiß strömte über ihr Gesicht. Sie öffnete die Augen und sackte schwer zusammen.
„Kunniakas?“ Aleytys fühlte, wie kleine Hände sie berührten. Das Flüstern der Hiiri war besorgt, unsicher.
„Ich versuche es zu intensiv.“ Aleytys schob ihre Hand an dem glatten Bambusrohr auf und ab. „Es funktioniert nicht.“
„Kunniakas, ich weiß nicht, wovon du redest, aber …“ Aamunkoitta zögerte, ihre Hände lagen warm auf Aleytys’ Arm. „Die Henkiolentomaan. Laß sie dir helfen.“
Aleytys blickte sie stirnrunzelnd an.
„Deine Geister. Wende dich
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