Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Leine, meine Lena kollabiert bei Hitze und Aufregung!» Das will der Labradorbesitzer auch sofort in die Tat umsetzen, aber ein fixer Pinscher durchkreuzt seine Pläne. Der kommt fast angeflogen und verbeißt sich in das linke Hinterbein des Labradors. Das wiederum findet eine französische Bulldogge extrem lustig. Sie greift den Labrador von vorne an. Bulldoggen haben ja völlig zu Recht einen schlechten Ruf. Früher waren sie reine Kampfmaschinen, heute wollen Züchter aus ihnen kinderfreundliche Familienhunde machen, das klappt eben nicht immer. Königspudel und Schäferhund stehen nun am Rand der Schlacht und kläffen aus vollen Hälsen. Kein Wunder: Der Dackel verliert ganze Büschel an rauen Haaren und liegt plötzlich ganz ruhig auf dem Rücken.
Eine stille Freude kann auch eine sehr große Freude sein! Ich weiß, das ist fies und gemein, und jeder könnte denken, ich sei ein Hundehasser. Dem ist keineswegs so! Lange Zeit habe ich als Schüler einen blinden und laufbehinderten Hund selbstlos Gassi geführt. Ips war ein schwarzer Cockerspaniel, er gehörte einer alten Tabakfabrikantin mit roten Haaren, die in einer alten Villa im ersten Stock residierte. Diesen verließ sie während der letzten Jahre ihres Lebens nicht mehr. Ich sah immer nur ihr Gesicht, wenn sie am Monatsende kurz ein Fenster öffnete und mir 50 Mark und eine Zigarettenpackung der Marke «Equator Golden Virgina» auf den weißen Kies unterhalb ihres Fensters warf. Ich war damals dreizehn, hatte Angst vor den roten Haaren, brauchte aber das Geld und die Zigaretten. Außerdem tat mir Ips leid, weil er allein im Gärtnerhaus wohnte. Ich stellte ihn zweimal am Tag an einem Baum im Park des Anwesens ab, gab ihm eine Zigarettenlänge Zeit für seine Geschäfte und trug ihn anschließend wieder in seine große Hütte.
Später hatte ich einen eigenen Hund, vierzehn Jahre lang, Yeti hieß er. Ein schlauer Rüde, Marke Promenadenmischung. Yeti konnte jede läufige Hündin zwischen Köln und Koblenz gegen den Wind riechen, ich irgendwann auch, weil ich viele Nächte im Auto auf der Suche nach ihm verbracht habe. Mitunter musste ich wochenlang nach ihm fahnden, bis ich ihn irgendwann in einem Tierheim wiederfand. Wenn ich auf Reisen war, kam Yeti zu einer Gastfamilie. Hier wurde er mit Leberwurstbroten gemästet, die ihn innerhalb weniger Wochen zu einem unförmigen Monster machten. Menschen mit Übergewicht hätten an Yeti den Jojo-Effekt eingehend studieren können. War Yeti wieder unter meiner Obacht, wurde er ganz schnell wieder ganz dünn. Er musste mit mir laufen oder hinter meinem Fahrrad herrennen, und wenn ich es eilig hatte, auch hinter meinem alten VW-Käfer. Yeti, in seiner dünnen Phase, fürchtete sich besonders vor einer Bestrafung. Hatte ich ihn mal wieder von einem tagelangen Ausflug eingesammelt, stellte ich ihn, versifft, wie er war, unter die Dusche. Mit nassem Fell schrumpfte er zu einer lächerlichen Kreatur zusammen – und das fiel selbst ihm auf und machte ihn fertig. Yeti war eben durch und durch ein Macho.
Also, von wegen Hundehasser. Das lasse ich mir nicht nachsagen.
Der gar nicht mehr so raue Dackel auf der Sonnenwiese am See tut mir wirklich leid, nicht aber sein Frauchen, denn die kann nicht mehr länger in der Sonne brutzeln, Kaffee trinken und Psychologie Heute lesen. Sie muss tätig werden. Fell einsammeln, Herrchen des Labradors anschreien, armen Dackel trösten. Der wirft sich auch gleich heulend und winselnd auf ihre Decke, schmeißt den Kaffeebecher um und lässt sich genüsslich den Bauch massieren. Die anderen Viecher tun so, als sei nichts gewesen, streunen lässig herum und pinkeln mit Wonne an zwei Mountainbikes, deren Fahrer gerade im See baden und nichts Böses ahnen.
Das Herrchen vom goldfarbenen Labrador will das Gezeter von Dackels Frauchen nicht widerspruchslos hinnehmen. Er versucht sich als Hundehalterflüsterer: «Ich denke, du solltest mit deinem Tier vielleicht mal in eine Hundeschule gehen. Die bringen ihm bei, wie Rangordnungen funktionieren. Ich finde, das bist du ihm schuldig. Am Ende hat dein Dackel noch Glück gehabt. Denn ich geh da niemals dazwischen. Hunde müssen das untereinander ausmachen. Sie müssen lernen, was sie zu leisten imstande sind und was nicht.»
Die zuvor sich resolut gebende Dackelbesitzern fängt auf einmal zu weinen an. Damit niemand ihre Tränen sieht, geht sie mit ihrem Liebling ins Wasser. Mit Hunden schwimmen ist fast so wie mit Delfinen schwimmen. Die
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