Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Hohlkreuz gibt das Tempo vor, ohrenbetäubende Musik befeuert das Szenario. Alle scheinen Spaß zu haben, sonst würden sie es nicht machen. Aber sehen kann man den Spaß als Außenstehender nicht. Die Gesichter sind angespannt, manche vor Schmerz verzogen, die Augen glasig, als seien Drogen im Spiel. Vielleicht machen aber auch schon Nahrungsergänzungsstoffe solche Augen.
Ich verschwinde in die Sauna – und erwische mich dabei, wie ich die Stunden bis zum Ende meiner Kreuzfahrt zähle. Ein eindeutiges Signal, dass ich die goldrichtige Reise gebucht habe. Und als der Nebel im Dampfbad mein Gehirn erreicht, stellen sich sogar ein paar Wortspiele ein: Kreuzfahrt = Kreuzigung, Kreuzzug, kreuzunglücklich, zu Kreuze kriechen, Kruzitürken. Endlich hab ich’s kapiert: Eine Reise auf der AIDA ist ein Kreuzzug. Fanatische Gleichgesinnte kommen in großen Dampfern übers Meer und bringen den Heiden und Nichtsnutzen in der Karibik ihren Glauben mit: Glauben an Radeberger, Spinning und Themenbüfett. Aber das ist auch wieder Unsinn: Der Glauben allein an Radeberger hilft nicht, man darf ja gar kein Bier mit von Bord nehmen, und schon gar keine Spinning-Räder, höchstens ein paar Hühnerschenkel vom Büfett in einer Serviette versteckt. Also kann man von keinem Kreuzzug sprechen, aber eine Eroberung wie früher bei James Cook ist es schon.
Das heißt: weit draußen in der Bucht vor Anker gehen, wo die Eingeborenen mit ihren Einbäumen sich nicht hintrauen, dann plötzlich, meistens so um Viertel nach neun in der Früh, wenn die Kariben noch in der Hängematte liegen, in übermächtigen Wellen an Land stürmen, sich dort sofort in Minibussen verschanzen und im Inselinneren auf Goldsuche gehen, in Form von Goldkettchen, bunten Karibikbildchen und Gewürzmischungen. Sobald aber Eingeborene das Gespräch suchen, verschanzt man sich wieder in einem der Busse, um vom Fenster aus letzte Verhandlungen zu führen. Wenn alle Eroberer reichlich Beute gemacht haben, geht es zurück aufs Schiff. Dort isst man sich satt, um die nächste Insel entdecken und erobern zu können. Es ist doch phantastisch: In sieben Tagen kann man sechs Inseln erobern. Sprich: Das geht viel schneller als früher. Die AIDA macht’s möglich.
Bleibt abschließend nur noch eine Frage: Bin ich schon reif für die große AIDA-Familie? Und wenn nicht, wird das überhaupt nochmal was mit mir? Irgendwann?
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Dank
Meine Frau Astrid war so manches Mal mit mir unfreiwillig in der «Reise-Hölle», dafür mein Mitgefühl. Mein Dank dafür, dass sie das Zu-Papier-Bringen der Geschichten wohlwollend kritisch begleitet hat.
Auch danke ich Barbara Laugwitz und Regina Carstensen. Sie haben mich ermuntert und gecoacht und hatten stets ein wachsames Auge auf mein Schreiben.
Über Mikka Bender
Mikka Bender war schon während seines Studiums als Reise- und Expeditionsleiter weltweit unterwegs. 1992 engagierte VOX ihn als Redakteur. Er entwickelte maßgeblich die Reisesendung «Voxtours» und wurde 1996 Redaktionsleiter des wöchentlichen Magazins «Wolkenlos». Seit Frühjahr 2010 steht er als Moderator und Reporter in der Sendung «Hilfe, mein Urlaub geht baden!» (VOX) vor der Kamera.
Über dieses Buch
Schlimmer geht immer.
Der Geheimtipp Nordzypern entpuppt sich als Plastikparadies, der Ausflug ins Himalajagebirge wird zum Geduldsabenteuer, und der Pauschalurlauber erlebt so manches Grauen. Die Katastrophenliste ist lang und das Leidenspotenzial der Urlauber groß. Der langjährige Reiseredakteur Mikka Bender gibt in witzigen und unterhaltsamen Geschichten dem Urlaub in der Hölle einen Namen – sodass sich jeder freuen kann, zu Hause geblieben zu sein.
«Wer A sagt wie Abreise, der muss auch B sagen wie Bender. Der Mann hat einfach das richtige Gespür für Timing: wann man auf Reisen geduldig sein muss wie ein Buddhist, wann schicksalsergeben wie ein Moslem, wann pfiffig wie ein Jude, wann demütig wie ein Hindu und wann die Zeit gekommen ist, auf ein Wunder zu hoffen wie ein Christ. So geht’s von Abreise bis Zurückkommen gut aus. Dank Bender.» (Dieter Moor)
«Ich war mit Mikka Bender selber schon unterwegs, irgendwo in Asien, wo sich selbst Google nicht mehr auskennt. Wenn Mikka von seinen Reisen erzählt, hat man Tränen in den Augen, aus vielerlei Gründen: aus Mitleid, aus Erschütterung, aber vor allem – vor Lachen.» (Dieter Nuhr)
Impressum
Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt
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