Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Insel, Australien zum Beispiel, kann das natürlich nicht passieren. Wenn man sich dort mitten auf die Insel legt, droht eher Tod durch Verdursten. Die großen australischen Wüsten gehören zu den trockensten Regionen der Welt. Zu Recht wird Australien als Kontinent geführt und nicht als Insel.
Fast jeder Mensch hat eine Lieblingsinsel, vorzugsweise zum Urlaubmachen. Dabei habe ich festgestellt, dass es sieben charakteristische Inseltypen gibt: den Sylt-Typ, den Rügen-Typ, den Mallorca-Typ, den Ibiza-Typ, den Irland-Typ, den Malediven-Typ und den Korsika-Typ. Ein Sylt-Typ würde niemals auf Mallorca Urlaub machen, ein Ibiza-Typ würde in Irland seelisch verkümmern, und ein Malediven-Typ würde sich auf Rügen verlaufen. Fast vergaß ich: Es gibt noch einen achten Insel-Typ: den Grönland-Typ. Der bevorzugt große und gottverlassene Inseln, so einer lässt sich auch auf Neuguinea ein. Neuguinea ist nach Grönland die zweitgrößte Insel der Welt, sie ist mindestens so gottverlassen wie die dänische Mammutinsel, aber immerhin ist es dort recht schön warm. Ihr Nachteil: Meist regnet es da ohne Unterlass. Im Hochland von West-Papua beispielsweise – im Westteil der Insel, der seit 1963 zu Indonesien gehört – braucht der Besucher drei Dinge: einen Regenschirm, Gummistiefel und Mückenschutz; Gummistiefel können zur Not durch Badelatschen ersetzt werden.
Ganz klar: Ich bin der Grönland-Typ. Große Inseln am Ende der Welt faszinieren mich. Und obwohl der Grönland-Typ lange nicht so oft vorkommt wie etwa der Mallorca-Typ, finde ich immer ein paar Hartgesottene, die sich mir anvertrauen und denen ich als Tourguide zeige, wie es sich heute so lebt auf großen und einsamen Inseln.
Dieses Mal besteht meine Gruppe aus nur vier Abenteuerlustigen. Gotthard, ein dreiundfünfzigjähriger Apotheker aus Sindelfingen, seine fünf Jahre jüngere Frau Mechthild, der einundsechzigjährige Studiendirektor Ludger aus Karlsruhe und seine vierzigjährige Freundin Jana sind mit von der Partie. Mechthild und Jana sind Kinderärztinnen, kennen sich von früheren Reisen und wollen immer das typische Leben von Einwohnern kennenlernen, meist von exotischen. Gotthard ist ein echter Reisefreak, der schon viel von der Welt gesehen hat und noch mehr davon erzählen kann. Er hakt Reiseziele wie Trophäen ab. Ludger ist ein typischer Oberlehrer, der gern alles besser weiß und ein halber Japaner ist, denn er sieht fremde Welten nur durch seinen Fotoapparat. Bei einem Vorbereitungstreffen in Frankfurt habe ich die Truppe auf den Expeditionscharakter der Tour eingeschworen.
Unser Ziel ist das Baliem-Tal, hoch oben in den Bergen West-Papuas gelegen. Die Hausherren dort sind die Dani, ein eigenständiges Volk, das es trotz aller vordringender westlicher Zivilisation halbwegs schafft, seine traditionellen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Systeme beizubehalten. Früher waren die Dani Menschenfresser. 1961 sollen die Asmat, die Nachbarn der Dani im Süden von Neuguinea, in der Provinz Irian, Michael Rockefeller, Sohn des späteren amerikanischen Vizepräsidenten Nelson Rockefeller, aufgegessen haben. Das wird zumindest gemunkelt. Angeblich sollen sogar noch 1974 vier holländische Familien in einer einsamen Gegend des Baliem-Tals getötet und aufgegessen worden sein. Gesichert überliefert ist, dass die Dani sich im Zweiten Weltkrieg noch gern den einen oder anderen japanischen Soldaten, der sich verlaufen hatte, auf der Zunge zergehen ließen. Japaner sollen ihnen auch besser geschmeckt haben als zum Beispiel evangelische Missionare, die den Dani etwas von Gott erzählen wollten. Missionare seien zu salzig gewesen, so heißt es. Wie dem auch sei: Die indonesische Regierung, die in den sechziger Jahren die Unabhängigkeitsbestrebungen West-Papuas unterdrückte und das riesige Gebiet annektierte, verbot den Kannibalismus.
Richtig entdeckt wurde das Baliem-Tal erst vor fünfzig Jahren, es ist also gut möglich, dass noch heute so mancher Dani-Großvater aus eigener Erfahrung weiß, wie Menschenfleisch schmeckt. Wichtig ist, hier anzumerken, dass die Dani nie aus niederen Beweggründen Menschen gegessen haben. Hehres Ziel war immer, die Lebenskraft und Energie des Opfers in sich aufzunehmen – und das gelang ihrer Meinung nach am besten, wenn man es verzehrte. Nach einem gewonnenen Stammeskrieg kamen deshalb zuerst die Männer auf die Speisekarte, die sich besonders lange und mutig gewehrt hatten. Die Dani von heute schmücken sich
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