Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
nicht sehen, und deswegen macht das auch wieder wenig Sinn.
Mein Ratschlag, um die Steinwüste New York als Tourist hautnah erleben zu können: Stellen Sie sofort jeglichen Nikotin- und Alkoholkonsum ein, und beginnen Sie im Monat Mai damit, jede Woche fünfzig Kilometer zu joggen. Lassen Sie dieses strapaziöse Programm um den 20. Oktober herum langsam ausklingen, und vergnügen Sie sich bis Ende Oktober mit leichten Joggingrunden durch den buntgefärbten Herbstwald. Wenn Sie sich dabei keine Grippe zuziehen und Ihnen die störungsfreie Einreise in die Vereinigten Staaten gelingt, sind Sie reif für den New-York-Marathon, der jedes Jahr am ersten Sonntag im November stattfindet. Sie ahnen richtig: Er bietet die perfekte Möglichkeit, die Steinwüste New York zu durchqueren, zu erkunden und zu besiegen. Und: In keiner anderen Wüste unserer Erde können Sie so befreit lospinkeln (als Mann) wie an diesem Sonntag in New York. So wird auf Staten Island, am Start, alljährlich die längste Rinne der Welt aufgestellt – eine Art Riesendachrinne –, damit Tausende Läufer aus aller Herren Länder noch einmal abschlagen können, bevor es losgeht. Wenn der Startschuss fällt, ist jeder aber auf einmal allein mit seinen Gelenken, Muskeln, Fasern, Knorpeln, Knochenhäuten … und mit der Wüste. Und die lebt!
Ein paar Millionen Amerikaner brüllen Ihnen nämlich so verlogene Sprüche wie «You’re looking great» ins schweißnasse Gesicht. Sie ahnen, dass Sie sich quälen, weil kein Ende der Tortur in Sicht ist und Sie für jede Aufmunterung dankbar sind. Und Sie brauchen viele davon. Die Wüstenpisten First und Fifth Avenue bringen Sie an den Rand des Wahnsinns, weil diese einfach nicht enden wollen. Die Zuschauer im Central Park wiederum lassen Sie angesichts ihres frenetischen Beifalls glauben, Sie seien ein Weltstar. Immerhin schaffen Sie es dadurch, doch noch ins Ziel zu kommen, nach drei, vier oder auch sechs Stunden. Sie haben die Wüste durchquert. Sie haben die Wüste besiegt. Sie haben es ihr auf die ganz ehrliche, auf die ganz harte Tour gezeigt, und Sie wollen nur noch drei Dinge: eine Banane, eine Flasche Bier und frische Sachen zum Anziehen.
Der Zielbereich im Central Park ist gemeinhin Ihre Oase, hier werden Sie als «Finisher» verwöhnt und gefeiert. Aber seien Sie auf der Hut. Alle amerikanische Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft schlagen in Sekundenschnelle in Zorn, Wut, Bitterkeit und Unverständnis um, wenn Sie sich erdreisten sollten, ungeniert und auf die Schnelle Ihre Laufhose gegen eine frische Trainingshose zu wechseln, ohne dafür in den offiziellen Umkleidebereich zu humpeln. Das Entblößen eines Allerwertesten, und wenn nur für Sekundenbruchteile, ist im Umfeld des New Yorker Marathons ein Kapitalverbrechen. Es wird sofort geahndet, Sie werden zur Ordnung gerufen und aus dem Central Park verwiesen.
Zu erwähnen ist noch eine besondere Form der Wüste, die Servicewüste. Mit ihr kennen sich die Deutschen sehr gut aus. Seit vielen Jahren stellt sie unseren natürlichen Lebensraum dar. Aber kennen wir uns auch in Servicewüsten außerhalb unserer Heimat aus? Auf jeden Fall wäre das wünschenswert. Die meisten Wüsten unserer Erde dehnen sich nämlich aus, ein Phänomen, das als Desertifikation bezeichnet wird und ebenso die Servicewüsten betrifft. Nicht einmal vor Fünf-Sterne-Hotels macht es halt. Selbst in Dubai, am Persischen Golf, wo dem Gast eigentlich jeder Wunsch von den Lippen abgelesen wird, ist diese Wüstenform auf dem Vormarsch. Daher hier einige Überlebenstipps für Ihr richtiges Verhalten in der Servicewüste Fünf-Sterne-Hotel:
Wenn Ihnen an der Rezeption gesagt wird: «Ihr Gepäck kommt gleich aufs Zimmer», haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie schlafen einen halben Tag aus, denn vorher wird Ihr Gepäck nicht kommen. Oder Sie nehmen es selbst in die Hand. Fragen Sie sich jetzt, warum es immer so lange dauert? Die Antwort liegt auf der Hand: Fünf-Sterne-Hotels sind groß. Kein Wunder, dass sich auch die Angestellten dauernd verlaufen oder mal einen Zwischenstopp in Form einer ausgedehnten Pause machen müssen.
Wenn Ihr Raum nicht von einem Zimmermädchen, sondern von einem Zimmerjungen aufgeräumt wird – in vielen islamischen Ländern üblich –, sollten Sie nicht zu genau hinsehen. Wo auf der Welt können fünfundzwanzigjährige Burschen ihr eigenes Zimmer sauber machen, geschweige denn das von Touristen? Erfreuen Sie sich an den aus Ihren
Weitere Kostenlose Bücher