Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Bartwuchs gesegnet, das trifft auf Männer und Frauen zu. Solche Motive hat man nicht jeden Tag vor der Linse. Das wissen die Dani, denn als er nicht mehr auf den Auslöser drückt, schauen alle Dani nur noch Ludger an. Und einen Oberlehrer muss man sogar sehr lange anschauen, bis er sein Portemonnaie zückt. Fotografieren kostet Geld, auch im Hochtal, das lernt Ludger jetzt.
Natürlich will er von den Burschen erfahren, warum sie diese Kürbishülsen über ihren Penis stülpen. Das interessiere ihn so ganz persönlich. Er zeigt und gestikuliert, aber eine Antwort bekommt er nicht. Nur einen eigenen Köcher, den bekommt er sogar geschenkt. Er ist fast einen halben Meter lang, aber Jana konfisziert ihn sofort.
Schließlich ziehen wir weiter durch Schlamm und Morast, mal regnet es stärker, mal weniger. Die Stimmung bleibt trotzdem gut, weil es so viel zu bestaunen gibt.
Rechts und links am Wegrand liegen die kleinen Dörfer und Weiler der Dani. Faszinierend sind ihre Hausgärten. Die pflegen und pflügen sie mit allergrößter Leidenschaft. Entwässerungsgräben und hochaufgeschüttete Erde sorgen dafür, dass die kleinen Felder nicht im Regen ertrinken. Süßkartoffeln, Yamswurzeln und Maniok gedeihen prächtig. Der Dani-Mann steht dafür täglich in seinem Garten und kümmert sich rührend um jede einzelne Feldfrucht – und vergisst darüber seit Generationen, seinen Frauen eine ordentliche Hütte zu bauen. Ja, Dani-Männer haben gern mal mehr als eine Frau. Aber das dürfte nicht der wirkliche Grund dafür sein, dass die Männer in prächtigen Rundhütten schlafen und die Frauen mit den Schweinen und den Kindern in schäbigen Hütten, die drum herum liegen. Letztlich verwundert dies aber schon ein wenig, da die Dani-Frauen durchaus selbstbewusst durch die Gegend laufen und nicht nur die Drecksarbeit machen müssen. Eigentlich muss der Dani-Mann den alten Stammesregeln zufolge jeder neuen Dani-Frau nicht nur eine Hütte bauen, sondern auch ein Feld anlegen. Und nach diesen Regeln haben Schweine auch Schweineställe. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Uns ist das ja bekannt.
Nach ungefähr drei Stunden erreichen wir Akima. Vor mehr als 350 Jahren starb in diesem Dorf ein berühmter Krieger. Die trauernden Verwandten brachte das auf eine geniale Idee: Sie mumifizierten die Leiche und sorgten dafür, dass die nachfolgenden Generationen den toten Helden regelmäßig abstaubten und einfetteten. Heutzutage rentiert sich die Investition aufs Beste. Die Sippe rückt die Mumie für ein Foto nur heraus, wenn bar gezahlt wird, und das nicht zu knapp. Dieser Einfall könnte auch bei uns Nachahmer finden, besonders wenn man bedenkt, wie teuer eine Beerdigung inklusive Grabstelle und Grabpflege für fünfundzwanzig Jahre ist. Für eine Mumie braucht man nur ein stilles Eckchen irgendwo in der Wohnung.
Ludger will nicht nur ein Foto machen, sondern mehrere. Doch jede weitere Aufnahme muss extra bezahlt werden. Der Lehrer, dem das Geld wahrlich nicht locker in der Tasche sitzt, will das erst gar nicht einsehen.
«Warum brauchst du eigentlich zwanzig Fotos von dem alten Kämpfer?», frage ich Ludger.
Er wirft mir einen vernichtenden Blick zu. Ich kann ihn sofort in Worte umsetzen: Wie kann man nur eine solch blödsinnige Frage angesichts einer so wunderbar erhaltenen Mumie stellen? Geradezu empört legt Ludger wieder einen Schein in die Hand des Mumienbesitzers, wobei man nicht genau weiß, ob wegen meiner Frage oder der erwünschten Bezahlung. Ich jedenfalls finde, dass der stolze Eigentümer sich das Geld wohlverdient hat. Denn wie es scheint, kümmert er sich bestens um den Toten, der zwar nur noch aus Haut und Knochen besteht, aber er wirkt bestens gepflegt. Er glänzt schwarz, ledern, fast wie ein gut abgehangener Tiroler Schinken. Auf dem Kopf trägt er ein neckisches Bastkäppchen, das ihn vor Sonne und Regen schützen soll, und er wird auch immer auf einem robusten Holzstuhl mit Armlehnen durch die Gegend getragen.
Nach diesem Abstecher streben wir das Dorf Jiwika an, unser heutiges Ziel. Zum Abendessen habe ich bei unserer Ankunft ein kleines Schwein bestellt. Vermutlich sind die Dani jedes Mal aufs Neue verdutzt, dass ich bei ihnen ein schmutziges Exemplar dieser Paarhufer erwerbe, das sie dann essen dürfen. Aber sie zeigen ihre Überraschung nicht. Ein geschlachtetes Schwein ist auch immer mit einem Fest verbunden, und auf diesem können wir miterleben, nahezu authentisch, wie die Großfamilien der Dani
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