Isarhaie: Der vierte Fall für Max Raintaler (German Edition)
vergessen. Oder verdrängt?
Egal. Letztlich war sie selbst an allem schuld.
»Ja,
ich glaub, ich spinn. Da sülzt mich der Kerl mit seinem angeblichen
Liebeskummer voll, dabei hat er sich längst anders orientiert. Das ist doch
nicht zu fassen.« Josef schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
»Falsche
Spur, Josef. Der Liebeskummer wegen Moni war nicht geschauspielert. Aber ich
mach mich bestimmt nicht zum dauerjammernden Affen wegen ihr. Und bei meinem
Date geht es in erster Linie um Ermittlungen in meinem Mordfall. Die Zeugin,
die ich nachher zum Essen treffe, ist mindestens genauso wichtig wie Gesine
Sandhorst.«
»Wer’s
glaubt, wird selig.« Josef hob seine Maß zum Mund. Er trank einen großen
Schluck.
»Heiliger
Josef klingt doch gar nicht schlecht«, scherzte Max und trank ebenfalls. »Kommt
mir auch irgendwie bekannt vor.«
»Deinen
Humor hast du auf jeden Fall wieder zurück. Dann wird sich alles andere sicher
auch bald fügen«, murmelte Josef halblaut, nachdem sie ihre Krüge wieder
abgestellt hatten.
»Hoffen
wir’s. Sonst bringt mich dieser Attentäter am Ende vielleicht doch noch um.«
12
Wieso laufen in dieser
stinkreichen Stadt eigentlich so viele unfreundliche frustrierte Menschen
herum?, ging es Max wie schon so oft durch den Kopf, während er, mit drei Maß
Treibstoff intus, die Sonnenstraße Richtung Sendlinger Tor hinunterflanierte.
Schau dir bloß mal diesen Typen mit der Aktentasche da drüben an. Mit diesem
versteinerten Gesicht wird der nie froh. Oder die Frau mit ihrem kleinen Kind
da vorn. Warum plärrt sie es an wie eine Verrückte, anstatt es auf den Arm zu
nehmen? Normalerweise müssten sie doch strahlen vor Glück. Die Eingeborenen in
Südamerika und Polynesien sollen total fröhliche Menschen sein, obwohl sie so
gut wie nichts besitzen. Egal. Was geht’s mich an?
Die
Turmuhr der Matthäuskirche schlug einmal. Er sah kurz zu ihr auf. Halb sieben.
Gemächlich überquerte er den Platz am Sendlinger Tor und bog in die
Thalkirchner Straße ein. Noch gut zwei Kilometer, dann wäre er mehr als
pünktlich beim Inder am Baldeplatz, wie mit Traudi verabredet. Schon die ganze
Zeit über hatte er das Gefühl gehabt, dass er verfolgt wurde. Ein paar Mal
hatte er bereits vor diversen Schaufenstern angehalten und sich unauffällig
nach verdächtigen Figuren umgesehen, jedoch ohne Ergebnis. Wenn wirklich jemand
hinter ihm her war, dann musste es ein absoluter Profi sein. Wer würde so
jemanden engagieren? Woller fiel ihm ein. Der hätte einen Grund, weil er
bestimmt mehr Dreck am Stecken hatte, als man ahnte. Und dann war ja da noch
dieser Verrückte, der ihn niedergeschlagen hatte, und die Sache mit den
K.-o.-Tropfen. Wobei das bestimmt nichts mit Woller zu tun hatte. Der hatte bis
heute Vormittag noch gar nicht gewusst, dass es einen Privatdetektiv Max
Raintaler gab. Oder doch? Schmarrn. Auf jeden Fall war es ein denkbar
ungemütliches Gefühl, mitten in der Stadt auf dem Präsentierteller
herumzuspazieren und nicht sagen zu können, aus welcher Richtung der nächste
Angriff kommen würde, wenn denn einer geplant war.
Er kam
zum alten Südfriedhof und entschied sich dafür, eine Runde durch die alten
Grabstätten zu drehen. Bekannte Münchner Persönlichkeiten, nach denen auch
viele Straßen der Stadt benannt wurden, lagen hier. Zum Beispiel der Erfinder
des süßen Senfes Johann Conrad Develey, der Maler Max Emanuel Ainmiller, der
Erfinder der Kurzschrift Franz Xaver Gabelsberger oder Max von Pettenkofer, der
Begründer der modernen Hygiene. Ohne den täte sich heute wohl immer noch
niemand die Hände waschen, wenn er auf der Toilette war, dachte Max amüsiert.
Ob sie mir wohl eines Tages auch einen so imposanten Grabstein herstellen? Wohl
kaum. Wen interessiert schon ein kleiner Exkommissar, Detektiv und
Hobbymusiker. Außerdem wird hier sowieso längst niemand mehr beerdigt. Mich
schaffen sie eher zum Ostfriedhof hinauf, wo zum Beispiel auch der Johann
Rattenhuber liegt, der Chef der Leibwache vom Adolf Hitler. Ja, mei, so ist es
halt. Nicht mal im Tod kannst du dir deine Gesellschaft aussuchen.
Er
hatte auf einmal wieder ganz stark das Gefühl, dass er beobachtet wurde. Ohne
sich etwas anmerken zu lassen, ging er langsam weiter Richtung Ausgang, trat
auf die Kapuzinerstraße hinaus und blieb gleich links neben dem Tor stehen.
Wenn wirklich jemand hinter ihm her war, würde der Verfolger in den nächsten
Sekunden hier auftauchen, und dann würde er ihn zur Rede
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