Isarhaie: Der vierte Fall für Max Raintaler (German Edition)
kleinste Kleinigkeit wäre hier wichtig.«
»Nichts
Besonderes, Max. Wie ich es dir heute Morgen schon gesagt habe. Es gab sicher
einige kleine Auseinandersetzungen innerhalb der Bürgerinitiative, aber
deswegen bringt man doch nicht gleich jemanden um.«
»Hast
du eine Ahnung, wegen welcher Kleinigkeiten sich die Leute gegenseitig
abmurksen. Unvorstellbar.« Er lächelte, aber seine Augen lächelten nicht mit.
»Während meiner Zeit bei der Kripo habe ich da Sachen erlebt, die würdest du
nicht glauben, wenn ich sie dir erzähle.«
»Du
warst bei der Kripo?« Sie staunte ihn ungläubig an.
»Ja.
Stell dir vor. Die haben da sogar so lässige Typen wie mich in Jeans und
T-Shirt.«
»Mit
der Aufschrift ›Biertrinker‹?« Sie zeigte grinsend auf seine Brust.
»Nein,
das ist mein ganz persönliches Markenzeichen.«
»Sag
nur ein Beispiel.«
»Was
für ein Beispiel?«
»Dafür,
weswegen sich die Leute gegenseitig umbringen.«
»Willst
du das wirklich wissen?«
»Ja.«
Sie trommelte unruhig mit den Fingern auf der Tischplatte herum.
»Wie du
meinst.« Max räusperte sich. »Das absolut Krasseste war ein 68-jähriger Mann,
der seine Frau erschlagen hat, weil sein Frühstücksei zu hart war.«
»So was
passiert wirklich?« Traudi hielt erschrocken die Hand vor ihren Mund.
»So was
und noch viel mehr in dieser Art. Glaube mir.« Er schüttelte den Kopf.
»Manchmal möchte man meinen, dass wir alle hier in einem riesigen Irrenhaus
leben, und der liebe Gott, der Chefpsychiater, hat den Schlüssel nach draußen
ins Paradies weggeworfen, weil er genau weiß, dass wir dort auch nur alles
kaputtmachen würden.«
»Glaubst
du wirklich, dass wir Menschen so schlimm sind?«
»Ja,
das glaube ich. Sogar die Tiere und die Umwelt müssen unter uns leiden.«
»Aber
wie kannst du mit so einer Meinung leben?«
»Weil
ich nun mal lebe. Was sollte ich sonst tun? Mich aus Verzweiflung darüber
umbringen?« Er sah sie fragend an.
»Natürlich
nicht.« Sie trank nachdenklich einen Schluck Bier.
Das
Essen kam. Es duftete herrlich und sah mindestens ebenso herrlich aus. Beide
begannen mit großem Appetit zu spachteln. Als sie fertig waren, verabschiedete
sich Traudi blitzartig ohne jede Vorankündigung.
»Ich
muss morgen früh um halb fünf in der Metzgerei sein, Max. Vielen Dank für das
Essen«, sagte sie, während sie aufstand und zu seiner Tischseite hinüberging,
um ihm links und rechts ein kleines Küsschen zu geben.
»Soll
ich dich nicht nach Hause bringen?«, erkundigte er sich leicht irritiert von
ihrem plötzlichen Aufbruch.
»Nein.
Bleib ruhig sitzen und trink aus. Ich komme schon zurecht. Tschau.« Sie winkte
ihm noch einmal lächelnd zu und war schwuppdiwupp zur Tür hinaus.
»Was
war denn das jetzt?«, fragte sich Max halblaut. »Die Welt wird anscheinend
wirklich immer verrückter. Oder bin ich langsam einfach nur zu alt für den
ganzen Scheiß?« Er nahm sein Bierglas zur Hand und leerte es in einem Zug.
13
Max trat auf den Gehsteig
hinaus, nachdem er die Rechnung bezahlt hatte und von dem indischen Kellner
aufgrund des hohen Trinkgeldes, das er dabei gegeben hatte, unter gefälligem
Dauernicken und wortreichen Danksagungen zum Ausgang begleitet worden war.
Natürlich hatte er sich das Ende dieses Abends anders gewünscht. Er fühlte sich
einsam wegen der Sache mit Monika und hätte heute Nacht gern jemanden neben
sich gehabt. Die hübsche rothaarige Traudi Markreiter hätte ihm gut gefallen,
obwohl er andererseits genau wusste, dass sie, mit ihren vielleicht gerade mal
25 Jahren, streng genommen, viel zu jung für ihn war. Ihm fiel ein, dass er sie
gar nicht nach ihrem genauen Alter gefragt hatte. Das würde er bei Gelegenheit
auf jeden Fall nachholen.
Er ging
zur Isar vor, wo er auf die Wittelsbacherstraße stieß, die ihn direkt nach
Hause führen würde. Während er sie trotz roter Fußgängerampel überquerte, um am
Flussufer entlang zu spazieren, kam ihm ein Bus entgegen, der logischerweise
Grün hatte und dementsprechend schnell heranpreschte. Als der Fahrer Max auf
der Straße entdeckte, drückte er noch mehr aufs Gaspedal, sodass der blonde
Exkommissar wie der Teufel Richtung Gehsteig losspurten musste, um nicht von
ihm überfahren zu werden. Wenn er gestolpert wäre, wäre er garantiert tot
gewesen. Aber so wie es aussah, hatte sich der städtische Angestellte absolut
im Recht gewähnt und den Tod eines Passanten, der zu Unrecht bei Rot die Straße
betrat, dabei billigend in Kauf genommen.
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