Isarhaie: Der vierte Fall für Max Raintaler (German Edition)
sind ja immer
da.« Er zeigte mit der rechten Hand zu der Lampe hinauf, unter der er gerade
stand. Mit der Linken hielt er sich nach wie vor an ihrem Mast fest. Ich würde
wirklich gern mal wissen, wie sich so eine Straßenlampe ganz allein im Dunkeln
fühlt, überlegte er, so viele Meter weit von der nächsten Straßenlampe
entfernt. Die muss sich doch total einsam fühlen, die Ärmste. Wenn Max nach
einem durchzechten Abend schon einmal melancholisch war, dann war er es
konsequent. Bis er ins Bett fiel.
»Da,
schau doch! Jetzt saust es wieder nach links. Siehst du das denn nicht?« Franz
begann sich torkelnd im Kreis zu drehen.
Max
wurde es allein vom Hinschauen schwummrig im Kopf.
»Jetzt,
schau hin! Da ist es wieder!«, fuhr Franz fort. »Das ist bestimmt ein UFO. Die
sehen ganz genauso aus. Die leuchten genauso. Und die fliegen auch genauso
komisch umher, so dass man meint, das gibt es doch gar nicht. Und genau das ist dann
auch ganz typisch für die.«
Genau
genommen gab es außer Biertrinken, Rauchen und Essen von jeher nur ein Hobby,
das Franz wirklich faszinierte, und das waren UFOs. Im ganzen Internet
existierte keine Seite über sie, die er nicht bereits ausführlich studiert
hatte. Es gab kein Buch, das er nicht darüber gelesen hatte. Er wusste alles
darüber. Auch, wie die Außerirdischen Menschen entführten. An Bord ihrer
Raumschiffe wurde man dann von ihren Ärzten operiert, und wenn die lange genug
an einem herumgeschnitten hatten, brachten sie einen zurück auf die Erde.
Natürlich wussten sie dann fürs nächste Mal genau, wo man war.
Jawohl,
ganz genau wissen die das, die Sauhunde, die außerirdischen, dachte er jetzt.
In Amerika drüben haben sie schon Tausende von Leuten entführt. »Weißt du nicht
mehr, was Josef letzte Woche im Biergarten gesagt hat, Max? Über den
Amerikaner, der von den Außerirdischen entführt wurde?«
»Also,
wenn man jetzt alle Straßenlampen bloß um zwei Meter näher zusammenstellen
würde«, theoretisierte Max, ohne auch nur im Geringsten auf Franz’ Frage
einzugehen, »dann würden sie sich vielleicht schon gar nicht mehr so einsam
fühlen. Dann wäre nämlich die Nachbarstraßenlampe viel näher an der anderen
dran, und die beiden könnten locker miteinander reden. Auch über ganz
persönliche Dinge, ohne dabei groß herumschreien zu müssen.«
»Da!
Jetzt fliegt es wieder den Bahndamm entlang. Scheiße, Max! Schau doch hin!«
»Auch
mit der Nachbarstraßenlampe in der anderen Richtung könnte die mittlere
Straßenlampe dann reden. Das wäre dann sozusagen eine richtig saugemütliche
Straßenlampennachbarschaft, bei der sich alle Straßenlampen früher oder später
über alle anderen Straßenlampen direkt und indirekt ganz persönlich
kennenlernen könnten.«
»Und
jetzt saust es wieder nach hinten. Ja, gibt es denn so was?« Franz drehte sich
zweimal um die eigene Achse, dann geschah es. Er fiel um. Obwohl er sich die
ganze Zeit über so erfolgreich bemüht hatte, stehen zu bleiben.
»Hoppla!«,
kommentierte Max das kleine Missgeschick, bevor er ansatzlos mit seinen
philosophischen Betrachtungen über die Straßenlampen fortfuhr. »Weil ja jede
von ihnen nicht bloß eine linke und eine rechte, sondern auch eine mittlere
Straßenlampe ist. Verstehst du das, Franzi? Keine von ihnen wäre dann noch
allein.«
»Scheiße,
ich habe mir den Kopf angehauen.« Franz lag auf dem Rücken. Er rieb sich mit
der rechten Hand den Hinterkopf.
»Das
musst du dir bloß mal vorstellen. Es wäre der Beginn einer völlig neuen
Zeitrechnung. Mit dem Jahr eins nach der Beendigung der Einsamkeit von einsamen
Straßenlampen. Ursprünglich verursacht durch übertrieben weites
Auseinanderstehen derselben, aber dann ohne großes Tamtam geändert, durch
einfaches Zusammenrücken von jeweils gerade einmal zwei Metern. Sensationell,
Franzi. Absolut sensationell.« Max schaute drein, als hätte er gerade die
einzig wahre Ursache für die Entstehung des Lebens entdeckt.
»Jetzt
ist es weg. Ich sehe es nicht mehr, Max. Das UFO ist weg. Gott sei Dank!« Franz
blieb liegen und starrte in den sternenübersäten Himmel hinauf. »Nein!
Schmarrn!«, rief er voller Panik in der Stimme, als er sich mühsam an der
Hauswand, neben der er gelandet war, wieder in den Stand hochzog. »Es ist doch
nicht weg! Es ist wieder da! Da! Schau hin! Ja, Herrgottsack. Das musst du doch
auch sehen. Ich spinn doch nicht.«
»Franzi!«
Max hatte seinen bombensicheren Standort an der Laterne aufgegeben und
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