Isarhaie: Der vierte Fall für Max Raintaler (German Edition)
sie bis hierher
bereits die zweite Flasche Wodka aus dem Rucksack des Größeren halb geleert
hatten. Offensichtlich war das Angesicht des Todes für sie nur in betrunkenem
Zustand auszuhalten. Max, Franz und Josef konnten das gut verstehen. Jedoch
wollten sie selbst mit dem Trinken noch warten, bis sie nach dem Begräbnis
ihren kleinen Leichenschmaus in einem Lokal ums Eck begehen würden. Max hatte
die zwei Tippelbrüder vorhin ebenfalls dazu eingeladen. Es würde etwas zu essen
geben und gut gekühltes Bier, hatte er gemeint, was sie mit vor dankbarer
Vorfreude glänzenden Augen zur Kenntnis genommen hatten.
Als der
Bestattungsredner mit seiner Ansprache fertig war, setzte der Größere von
beiden erneut die Pulle an. Mit weit in den Nacken zurückgekipptem Kopf
schluckte er, was das Zeug hielt, und wankte währenddessen wild hin und her. Es
hatte den Anschein, als versuchte er das mit gezielten Gegenbewegungen seines
Oberkörpers auszugleichen. Dabei begann er aber, anstatt zurück in die
Senkrechte zu gelangen, in kontinuierlich wachsenden Radien um seine eigene
Achse zu kreisen. Immer schneller. Immer ausladender. Immer tiefer. Er glich
zusehends einem torkelnden Kreisel in den letzten Zügen. Bis er schließlich
völlig die Balance verlor, wie ein gefällter Baum mit einem lauten Schrei
vornüber kippte und samt Wodkaflasche krachend der Länge nach auf den Sarg
aufschlug, der sich inzwischen gut zwei Meter unter ihnen in der Grube befand.
21
Max, Franz, Josef und die
Sargträger hatten Willis betrunkenen Freund mit vereinten Kräften aus dem Grab
geholt. Bis auf eine dicke Beule an der rechten Stirnseite schien ihm bei
seinem unseligen Sturzflug auch nichts weiter passiert zu sein. Nun saßen die
drei Freunde und ihre zwei neuen Bekannten nicht weit vom Friedhof an zwei
getrennten Tischen im kleinen, aber saugemütlichen ›Wiesenstüberl‹ und
bestellten die erste Runde Bier nebst bei einem Leichenschmaus auf jeden Fall
dazugehörigem Obstler.
»Prost,
die Herren! Und vielen Dank für alles!«, rief der kleinere der beiden
Obdachlosen zu Max, Josef und Franz hinüber. Sein sturzfluggeschädigter
größerer Freund hob nur stumm sein Bierglas. »Bitte seien Sie nicht böse, dass
wir lieber einen eigenen Tisch für uns haben wollen. Aber in Ihre vornehme
Runde passen wir einfach nicht hinein.«
»Passt
schon. Prost, Burschen«, erwiderte Max, der ihnen am nächsten saß. Was heißt
denn hier vornehm, dachte er. Wir sind doch stinknormal, oder? Obwohl, das
kommt wohl, wie alles andere auch, immer auf die Perspektive an.
»Prost!«
»Auf
ein langes Leben!«
Franz
und Josef hoben ebenfalls die Gläser.
»Ein
typischer Fall für meine Drei- und Achtbier-Theorie«, meinte Max leise zu
seinen beiden Freunden, nachdem sie getrunken hatten. Er nickte mit dem Kopf
unauffällig in die Richtung des Nebentisches.
»Oje,
was kommt jetzt wieder für ein Schmarrn«, antwortete Franz. »Soll ich nicht
lieber einen Witz erzählen?«
»Nein,
Franz. Deine Witze sind absolut scheiße«, protestierte Max lauthals. »Und
stinklangweilig obendrein.«
»Genau«,
schloss sich Josef an. »Außerdem ist das hier eine Trauerfeier. Langweilige
Witze kannst du morgen wieder erzählen.«
»Na
gut. Wer nicht will, der hat schon. Also los, mach schon, Max.« Franz schniefte
kurz beleidigt und nahm gleich noch mal einen großen Schluck von seinem Bier.
Bei der
Hitze draußen musste man unbedingt auf genug Flüssigkeit im Körper achten.
Jeder Arzt empfahl das heutzutage seinen Patienten. Tat man es nicht, war die
unweigerliche Folge davon, dass man dehydrierte. Und wenn es ganz böse kam,
ging es einem dann genauso wie dem guten alten Willi. Man landete eher in der
Grube, als einem lieb war. Franz, Max und Josef wussten das als aufgeklärte und
gesundheitsbewusste Männer im besten Alter natürlich und waren immer nach
Kräften bemüht, genug zu trinken. Auch heute an diesem Trauertag.
»Die
Sache ist schnell erzählt. Ich habe mir eine Theorie überlegt, die erklärt,
warum wer mit wem beim Bier sitzt und warum es genau so und nicht anders ist.«
Max, der nun wieder mit gedämpfter Stimme weitersprach, hob wie ein Dozent an
der Uni den Zeigefinger in die Luft.
»Ach,
wirklich? Und was hat das mit drei oder acht Bieren zu tun?« Franz machte ein
Gesicht wie ein Zweitklässler, dem gerade die Grundlagen der
Relativitätstheorie erklärt wurden.
»Das
ist sozusagen der Kernpunkt meiner Theorie.«
»Aha.
Logisch, Max.
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