Isartod
leuchtet. Die Kiesbänke sind voller Menschen. Bierkästen im flachen Wasser. Doch. Es ist immer noch da, das echte München.
Mit einem Klicken verschwand die Mine des Kugelschreibers. Hummel kratzte sich am Kopf. Das hier klang eher wie der Untergang des Abendlandes oder Der tiefe Fall der Stadt München . Dabei lebte er doch einfach gern hier. Wo er nur den Gebsattelberg runterradelt und an der Isar ist. So als Gefühl müsste das stärker rein, irgendwie.
HÄNDE VOLL
Maders Team hatte alle Hände voll zu tun. Die Reaktion auf das Foto in der Zeitung bestätigte Maders Vermutung: Hinter den Kulissen steppte der Bär. Einige Herrschaften wussten sehr wohl, wer die Dame war und welcher Beschäftigung sie nachgegangen war. Vor ihrem plötzlichen Ableben. Einer der Herren war nach ausgiebiger Zeitungslektüre und Anrufen besorgter Freunde in heller Panik. Kein Wunder, war doch die junge Dame bei den Festivitäten auf seiner Burg ums Leben gekommen. Ausgesprochen unangenehm für Eduard von Haslbeck, der einer der Top-Strippenzieher der Münchner Gesellschaft war. Und auf dessen Burg Waldeck zweimal im Jahr sich Politik, Wirtschaft, neues Geld und alter Adel ein Stelldichein geben. Ein Marktplatz für wichtige Geschäfte: Immobilien, Beteiligungen, Dienstleistungen aller Art. Big Business .
Zum Unterhaltungsprogramm für diesen erlauchten Kreis gehörten auch frivole Spiele der schärferen Gangart. Dafür bot Burg Waldeck das adäquate Ambiente mit bestens ausgestatteten Kellergewölben. Ganz harmlos natürlich. Kontrollierte Ekstase. Aber einmal ist immer das erste Mal. Ein Unfall. Quasi. Burgherr Eduard von Haslbeck war jedenfalls sehr froh – zum ersten Mal in seinem Leben –,dass er sich an seinen kompetenten Schwiegersohn Dr. Patzer wenden konnte. Patzer verfügte über die entsprechenden Kontakte, um ein solches Missgeschick ungesehen zu machen. Aber offenbar nicht ganz, wie jetzt in jedem Boulevardblatt zu sehen war.
DAS ZIEHT KREISE
Ein Mann im grauen Trenchcoat trat aus dem Wirtschaftsministerium. Wie aus dem Nichts schoss ein grauer BMW vors Portal. Der Mann stieg ein.
Der Chauffeur drehte sich um: »Herr Minister, der Vortrag in der Handwerkskammer, Herr Minister?«
»Ja, Lederer. Vorher noch zum Ostfriedhof. Und sagen Sie nicht immer ›Herr Minister‹ zu mir.«
»Sehr wohl, Herr Minister, äh, Herr …«
Der BMW fuhr los. Ein zweiter BMW folgte ihm.
Altstadtring, Isartor, Rosenheimer Berg, Balanstraße. Der BMW bog unter der Eisenbahnbrücke zum Friedhof ab. Der Minister stieg aus und bedeutete den Personenschützern, im Wagen zu bleiben. Er betrat das Blumengeschäft und kaufte einen Strauß Rosen. Dann ging er durch den Hintereingang des Friedhofs am Krematorium vorbei zu den ersten Reihen Gräbern. An einem Grab blieb er stehen. Er nahm den verwelkten Strauß aus der Vase, schüttete das Wasser aus, füllte die Vase am nahen Brunnen und stellte die frischen Blumen aufs Grab. Er starrte eine lange Minute auf den schwarzen Stein mit den goldenen Lettern. Dann ging er zurück auf den Kiesweg und zog sein Handy aus der Tasche, wählte. »Eduard, ich bin’s.«
»Ja, ich wollte dich auch schon …«
»Du hast gesagt, das ist alles erledigt. Ein Scheißdreck ist erledigt. Jetzt ist das Mädel in der Zeitung. Was sagt Patzer dazu?!«
»Ich hab ihn noch nicht erreicht.«
»Warum hat er sie überhaupt in die Isar geworfen?«
»Er hat gesagt, das ist sicher. Dass es sie in einer der Wasserwalzen zerlegt.«
»Was für ein Quatsch, die hätte irgendwo hängen bleiben können. Was, meinst du, passiert, wenn da einer auspackt?«
»Es war schließlich ein Unfall.«
»Ein Unfall. Sehr komisch. Wenn das irgendwie rauskommt, kann ich meinen Job sofort an den Nagel hängen. Und die anderen auch. Auf Wiedersehen in Stadelheim. Hält Patzer dicht?«
»Er ist mein Schwiegersohn!«
»Als ob das was heißt. Weißt du, was ich denke? Dass er das mit Absicht gemacht hat. Er wird versuchen, ISARIA jetzt endlich durchzudrücken. Und ich geb dir einen Tipp: Lass ihn machen. Sonst lässt er uns alle hochgehen.«
»Ich denke nicht dran.«
»Edi, hör zu, du bist pleite, nicht ich. Und ich bin darauf angewiesen, dass Patzer schweigt. Du, ich hab jetzt keine Zeit, ich hab einen Termin. Ich spreche auch im Namen der anderen. Sorg dafür, dass er dichthält, egal wie.«
»Wie meinst du das?«
»Mir wäre es lieber, wir machen es auf die einfache Tour. Du gibst ihm, was er haben will, und aus.« Der Minister
Weitere Kostenlose Bücher